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Österreich ist nach allen halbwegs aktuellen Untersuchungen ein Land der Eigentümer.

Manchmal wird man auch als langjähriger Immobilienjournalist von der einen oder anderen Aussendung noch überrascht. "Egal ob Haus oder Wohnung: 44 Prozent der Österreicher sind Eigentümer der eigenen vier Wände", so lautet der erste Satz einer Presseaussendung der ING-Diba vom Mittwoch. Österreich liege damit "deutlich unter dem europäischen Durchschnitt mit 56 Prozent Immobilieneigentümern". Das habe der "ING International Survey (IIS)" so ergeben, sagt uns die PR-Abteilung der Direktbank.

Auf den ersten Blick denkt man sich: Ja, was ist denn da los? Sämtliche bekannten Analysen der letzten Jahre zu dem Thema kommen schließlich auf eine mehr oder weniger satte Mehrheit an Eigentümern in diesem Land. Das von Klaus Lugger herausgegebene "Österreichische Wohnhandbuch 2010" errechnet beispielsweise genau 56 Prozent "Wohneigentümer", bestehend aus 46 Prozent "eigenbenützenden Gebäudeeigentümern" (also Einfamilienhaus-Besitzer) sowie zehn Prozent "Wohnungseigentümern". 44 Prozent, und damit die eindeutige Minderheit, sind demnach Mieter.

Der Verband der Gemeinnützigen Bauvereinigungen (gbv) weiß sogar von 57,4 Prozent Eigentümern in Österreich, gegenüber nur 42,6 Prozent Mietern. Und auch nach der letzten verfügbaren Mikrozensus-Auswertung der Statistik Austria zu diesem Thema (für 2011) sind mindestens die Hälfte der rund 3,65 Millionen österreichischen (Hauptwohnsitz-)Wohneinheiten zu den Rechtsverhältnissen "Hauseigentümer" (1,434 Millionen) und "Wohnungseigentümer" (392.000) zu zählen, zusammen also 1,826 Millionen Eigentümer-Haushalte.

Österreich ist nach allen halbwegs aktuellen Untersuchungen ein Land der Eigentümer.

Nochmals in die ING-Diba-Studie geblickt: Dort steht dann in weiterer Folge, dass 37 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ihre Räumlichkeiten mieten. (Der Rest wohnt "bei Familie oder Freunden, ohne dafür etwas zu bezahlen", sowie in Wohngemeinschaften.) Also nochmal kurz nachgedacht: 44 Prozent Eigentümer versus 37 Prozent Mieter - das ist doch über den Daumen gepeilt ohnehin genau das oben zitierte Verhältnis von 56 zu 44. Also eh alles in Butter?

Nein, denn die Studie, für die laut Aussendung "1.000 Konsumentinnen und Konsumenten über 18 Jahren online mit standardisierten Fragebögen befragt" worden sind, suggeriert, dass Österreich hier im europäischen Vergleich in irgendeiner Form hinterherhinken würde. "Spitzenreiter beim Wohnungseigentum sind die Polen mit 69 Prozent, gefolgt von den Italienern, Luxemburgern und Spaniern mit jeweils 68 Prozent. Weniger eigene Wohnimmobilien als die Österreicher besitzen etwa die Deutschen, hier liegt der Anteil bei 40 Prozent." Der europäische Durchschnitt soll sich demnach bei 56 Prozent Eigentümern bewegen.

Ganz abgesehen davon, dass Österreich zumindest nach den Zahlen des "Wohnhandbuchs" bei ebendiesen 56 Prozent liegt, sind europäische Vergleiche in diesem Bereich (wie so oft) unangebracht. Wer kann schon sagen, welches Verhältnis von Eigentum und Miete volkswirtschaftlich betrachtet das Beste ist?

Der Wohnbauforscher Christian Donner hat das versucht, er kam in seinen Studien zu dem Schluss, dass als "grober Richtwert" ein Anteil von 50 bis 80 Prozent Eigentum gelten sollte. Wichtiger ist für ihn jedenfalls, dass sich der Mieten-Sektor "je zur Hälfte auf private und geregelte Mietwohnungen" verteilen sollte (siehe Interview vom Dezember 2011).

Unter dieser Prämisse herrschen in Österreich nahezu optimale Verhältnisse. Zuviel an Eigentum ist nämlich wegen der drohenden Überschuldung der Privathaushalte nicht das Beste. In den Niederlanden, wo es laut Direktbank-Studie einen Eigentums-Anteil von 58 Prozent gibt, soll nur jeder zehnte dieser Eigentümer-Haushalte hypothekenfrei sein. In Österreich angeblich immerhin 60 Prozent. In Spanien, wo es laut anderen Analysen mittlerweile weit mehr als die von der Bank ermittelten 68 Prozent Eigentümer geben soll (die Rede ist oft von mehr als 80 Prozent), wird schon wieder zurückgerudert: Die Förderung des auf Schulden gebauten Eigentumserwerbs hat bekanntlich eine gigantische Immobilienblase entstehen lassen, jetzt will man dort wieder mehr Mietwohnungen haben.

Ein höherer Anteil an Mietwohnungen ist nämlich auch der Mobilität am Arbeitsmarkt zuträglich, das hat die OECD vor nicht allzu langer Zeit herausgefunden. Wer seine Wohnstätte nicht besitzt, sondern nur gemietet hat, verlässt sie eher wieder, um anderswo eine neue Arbeit anzunehmen. 

Ganz zu schweigen von dem Problem mit der geradezu exorbitant steigenden Wohnfläche pro Person: Wer ein Eigenheim baut oder kauft, neigt dazu, größenmäßig das Maximum herauszuholen - denn man baut oder kauft ja in der Regel "nur einmal im Leben". Wer mietet, überlegt genauer, wieviel Wohnraum tatsächlich benötigt wird. (Martin Putschögl, derStandard.at, 22.11.2012)