"Wenn Sie bitte verzeihen wollen, dass ich eine vorherige Frage absichtlich grob formuliert habe, und wenn Sie bitte akzeptieren wollen, dass ich sie hier und jetzt so formuliere, dass vernünftige, ausgewogene Möglichkeiten in Ihrer Antwort ausgeschlossen werden, darf ich Sie jetzt noch einmal fragen, ob Sie, beim Geschlechtsverkehr, einen rammelnden Stil, ähnlich dem Flug einer Fledermaus, bevorzugen oder einen subtilen Stil wie ein Wurm, der sich durch den Schmutz frisst?"

Berühren Sie derartige Fragen unangenehm? Fühlen Sie sich persönlich angegriffen? Halten Sie den Fragenden, also den Autor Padgett Powell, für einen Perversling? Oder ist es nicht so, dass durch die Worte "Wurm" und "Schmutz" sich eine existenzielle Dimension auftut, die an Augustinus oder Camus gemahnt und uns Powells Fragen daher alle angehen? Halten Sie solche Überlegungen des Rezensenten für gekünstelt, da sie bloß zur Schaustellung der intellektuellen Überlegenheit des Rezensenten dienen?

Ganz allgemein gefragt: Möchten Sie solche Fragen in einem Roman lesen? Glauben Sie dem Rezensenten, dass Padgett Powell einen Roman in Fragen geschrieben hat und dass im Roman tatsächlich auf rund 190 Seiten ausschließlich Fragen gestellt werden? Wenn ja, denken Sie, dass allen amerikanischen Autoren, die aus der Gegend von Florida stammen, solche literarischen Schweinereien zuzutrauen sind, also auch Padgett Powell, der tatsächlich aus Florida stammt?

Meinen Sie, dass Sie nach dem Lesen des Romans Roman in Fragen dem Autor Padgett Powell niemals und nirgendwo persönlich begegnen wollten, oder würden Sie ihn doch gerne treffen, weil im Lesen des Romans in Fragen noch Fragen offen sind, die Sie Powell zu stellen hätten?

Was Harry Rowohlt bewegt

Wenn Sie die deutsche Übersetzung mit dem englischen Originaltitel vergleichen, finden Sie dann, dass The Interrogative Mood. A Novel? subtiler, aufregender, packender ist als Roman in Fragen? Hat es sich der Übersetzer Harry Rowohlt zu leicht gemacht?

Was hat eigentlich Harry Rowohlt bewegt, Powells Roman in Fragen als einen Roman in Fragen ins Deutsche zu übertragen?

Hat es etwas damit zu tun, dass Harry Rowohlt Bartträger ist? - Das ist doch Unsinn - oder?! Könnte es eher damit zusammenhängen, dass Harry Rowohlt sich "Ambassador of Irish Whiskey" nennen darf und man den Roman in Fragen nicht ohne Alkoholkonsum lesen, geschweige denn übersetzen kann? Oder ist es nicht eher so, dass der Roman in Fragen Regelzwänge vorgibt, die der Übersetzer einhalten muss und die sich in jeder Sprache um Nuancen verschieben?

Erinnern Sie sich noch, wie vor Jahren Eugen Helmlé den Roman Anton Voyls Fortgang (La disparition) des französischen Autors Georges Perec ins Deutsche übertragen hat und der Regelzwang darin bestand, dass im gesamten Text der Vokal "e" nicht vorkommen darf? - Machen solche Regelzwänge den subtilen Reiz beim Übersetzen aus, wenn Sie verstehen, was ich meine?

Auch wenn Sie nicht verstehen, was ich meine, möchten Sie vom Rezensenten erfahren, worum es im Roman von Padgett Powell eigentlich geht? Würde es Ihnen weiterhelfen, wenn Ihnen der Rezensent mitteilte, dass im Roman in Fragen viele Fragen gestellt, aber keine Antworten gegeben werden? Fühlten Sie sich durch eine solche Antwort auf den Arm genommen, oder würden Sie eher sagen: Ja, so ist es auch im Leben, viele Fragen, wenig Antwort!?

Denken Sie, dass Ihnen ein paar Textbeispiele helfen könnten, den Roman in Fragen besser zu verstehen, bevor Sie den Roman in Fragen käuflich erwerben und wieder einmal knapp 20 Euro aus dem Fenster geschmissen haben? Ja!?

Also dann: "Finden Sie Wurst (und das Prinzip Wurst) anziehend oder abstoßend, oder sind Sie wurstneutral?"

Glauben Sie dem Rezensenten, dass es mindestens einen Chirurgen gibt, der in einem großen Krankenhaus arbeitet und der nicht nur von allen " Doktor Wurst" genannt wird, sondern auch tatsächlich so heißt?

Ist für Sie der Satz im Roman "Haben Sie Hegel kapiert?" eine rein philosophische Frage, oder könnte man sie auch bei einer Cocktailparty einfach so in den Raum stellen? Finden Sie es seltsam, das im Roman in Fragen nicht nur permanent sexuell anzügliche Fragen gestellt werden, sondern auch solche zur Philosophie, Politik, Kultur und zu den Naturwissenschaften? Wenn zudem im Roman entsetzlich viele Hunde auftauchen, heißt das, dass Philosophie, Politik, Kultur und die Naturwissenschaften zum Alltagsleben gehören (wie Hundekot)? Übrigens: " Was ist Ihnen lieber, ein Reichstag zu Worms oder eine päpstliche Bulle?" - Oder geht Ihnen Geschichte prinzipiell am Arsch vorbei?

Und wenn wir schon dabei sind: Finden Sie, dass der Staat ein Raffzahn ist und man deswegen Steuern ruhig hinterziehen soll? - "Haben Sie ein Konto in der Schweiz, oder kennen Sie jemanden, der eins hat?" Sind Ihnen solche Fragen unangenehm? Genauso wie: "Können Sie kochen? Können Sie kämpfen? Können Sie lügen? Können Sie irgendetwas gut?" - Oder sind Sie bloß ein Versager und Angeber wie die meisten von uns?

Wer fragt wen?

"Reicht es jetzt allmählich?" Wer fragt hier wen - der Autor als Versager und Angeber den Leser als Versager und Angeber oder umgekehrt? Anders gefragt: "Wann hört die Vanillesauce auf, und wo fängt der Vanillepudding an? Wäre es besser, wenn alles besser wäre, und schlechter, wenn alles schlechter wäre, oder besser, wenn alles schlechter wäre, und schlechter, wenn alles besser wäre?"

Wäre es demnach besser oder schlechter, zu Padgett Powells Roman in Fragen zu greifen? Verdammt, sollte der Rezensent nicht endlich Farbe bekennen?! Ist also dieser perverse, fragwürdige, existenzielle, sprachspielerische, aberwitzige Roman in Fragen heißest zu empfehlen? - Ja! (Andreas Puff-Trojan, Album, DER STANDARD, 26./27.1.2013)