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Glücklicher, positiver und sogar gesünder - Autosuggestionsmethoden versprechen Erfolg auf allen Linien.

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"Mein Leben ist erfüllt und reich" oder "Alles was ich mache, erledige ich gut und mühelos". Wer diese Sprüchlein nur oft genug wiederholt, dessen Leben soll positiver, glücklicher und erfolgreicher verlaufen. Zumindest versprechen das zahlreiche Ratgeber, die Regale in Buchhandlungen füllen. Abnehmer für diese gibt es genug und es werden immer mehr. Das Geschäft mit den verschiedenen Formen der Autosuggestion boomt.

Nicht gibt es nicht

Der französische Apotheker Émile Coué hat bereits Anfang des 20. Jahrhunderts herausgefunden, dass die Wirkung der Medikamente, die er seinen Kunden verkaufte, davon abhing, mit welchen Worten er diese überreichte. Wenn er sagte: "Mit diesem Medikament werden Sie sicher ganz schnell gesund", wirkte die Arznei besser, als wenn er keinen Kommentar dazu abgab.

In öffentlichen Sitzungen veranschaulichte Coué die Kraft der Gedanken, indem er die Besucher die Hände verschränken ließ und diese dabei so schnell und so oft wie möglich den Satz "Ich kann meine Hände nicht öffnen, ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht ..." wiederholen ließ. Als er sie anschließend zum Öffnen der Hände aufforderte, gelang das den wenigsten. Sein Resümee: Keiner soll denken, dass er nicht kann. Jeder Mensch ist in der Lage, sein Wohlbefinden durch positive Glaubenssätze zu steigern. Die Autosuggestion war geboren.

Einfluss auf das Unbewusste

"Nicht der Wille ist der Antrieb unseres Handelns, sondern die Vorstellungskraft", schrieb Coué in seinem Buch über die Grundsätze der Autosuggestion. Konkret bedeutet das: Alle Macht den Gedanken - wir bekommen das, was wir uns vorstellen. Das Positive daran: Vorstellungskraft ist lenkbar. Gedanken lassen sich trainieren, um das zu erreichen, was man will.

"Autosuggestion wirkt über intensive Wiederholung von Formeln, Leitsätzen oder Bildern und wird beim Autogenen Training, in der Hypnose und Selbsthypnose sowie in der Imagination eingesetzt", erklärt Norman Schmid, Klinischer- und Gesundheitspsychologe, der sich in seinem neuen Buch "Mein Weg in die Entspannung. Gelassen, beschwerdefrei und leistungsfähig" intensiv mit dem Thema auseinandersetzt. Allen Methoden der Autosuggestion gemeinsam, ist die Einflussnahme auf das Unbewusste. Rationales, kritisches Denken wird umgangen, um vorhandene Ressourcen zu fördern. "Das eignet sich insbesondere bei Personen, die viel grübeln, sich selbst wenig zutrauen und übermäßig kritisch bzw. pessimistisch sind", so Schmid.

Viele Psychologen, Psychotherapeuten, Lebensberater und Motivationstrainer sind von der positiven Wirkung der Autosuggestion längst überzeugt und nutzen diese zur Behandlung ihrer Klienten. "Es gibt eine Fülle an Studien, die die Wirkung von Suggestionen belegen. Diese Studien beziehen sich sowohl auf die Förderung des Wohlbefindens und der Gesundheit, als auch auf verschiedene Krankheiten, wie Schlafbeschwerden, chronische Schmerzen oder Ängste. Sogar bei Tumorerkrankungen konnte gezeigt werden, dass Suggestionen zu einer Förderung des Immunsystems führen", sagt Schmid.

Was Coué schon früh erkannte, macht sich auch heute noch die Schulmedizin in der Placebo-Forschung zunutze. Völlig wirkstofffreie bunte Pillen tragen alleine durch die Erwartungshaltung von Patienten zur Genesung bei. Selbst dann, wenn der Patient weiß, dass er kein echtes Medikament bekommt.

Wut und Ärger statt Glücksgefühle

Es häufen sich jedoch Stimmen von Experten, dass autosuggestive Formeln und Fantasien auch negativ wirken können. Nämlich dann, wenn sich der erwünschte Erfolg nicht einstellt. Wenn das Leben also nicht erfüllt und reich wird, trotzdem ständiger Wiederholung eines bestimmten Satzes,  dann sind Enttäuschung, Wut, Ärger und Verzweiflung vorprogrammiert.

Die Psychologin Joanne Wood von der University of Waterloo und ihre Kollegen haben untersucht, ob positive Sätze, das Selbstbewusstsein stärken. An dem Experiment nahmen eine Gruppe mit geringem Selbstvertrauen und eine Gruppe mit großem Selbstvertrauen teil. Alle Probanden sollten ihre Gedanken und Gefühle aufschreiben. Ein Teil der Personen jeder Gruppe hörte alle 15 Sekunden einen Gong, zu dem sie sich den Satz "Ich bin eine liebenswerte Person" vorsagen sollten.

Das Ergebnis: Bei den Teilnehmern mit geringem Selbstbewusstsein verschlechterte sich die Stimmung messbar. Die Personen mit hohem Selbstvertrauen profitierten leicht von der Formel. Demnach werden gerade bei Menschen, die von Selbstsuggestionen am meisten profitieren sollten, Diskrepanzen zwischen Wunschverhalten und wirklichem Verhalten erzeugt. Das verschlechtert die Stimmung zusätzlich.

Auch der deutsche Psychotherapeut Günter Scheich teilt die Meinung, dass Autosuggestion mehr Schaden als Nutzen verursacht. In seinem Buch "Positives Denken macht krank", betont er, dass negative Gedanken wichtig sind, um psychisch gesund zu bleiben.

Individualität als oberste Prämisse

Dass Suggestionen nicht für jeden gleichermaßen geeignet sind, beschreibt auch Schmid in seinem Buch: "Wenn Sie bei Stress vorrangig körperliche Symptome wie Schwitzen, Herzrasen, Kurzatmigkeit und Ähnliches plagen, kann Ihnen ein Atemtraining oder die Progressive Muskelentspannung sehr gut dabei helfen, diese Symptome schnell in den Griff zu bekommen und sie auch in Alltagssituationen zu vermeiden. Wenn Sie hingegen das Gefühl haben, ihre Gedanken drehen sich nur mehr um einen bestimmten Stressfaktor wie z.B. Probleme in der Arbeit und sie können geistig nicht mehr abschalten, bietet sich Achtsamkeits-Meditation oder Imagination besser an, da dieses viel besser dazu in der Lage ist, das Abschalten der belastenden Gedanken zu ermöglichen." (Natascha Marakovits, derStandard.at, 24.2.2013)