Doppelbrechender Calcit dürfte den Wikingern das Navigieren erleichtert haben.

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Seit Jahrzehnten wird über durchsichtige "Sonnensteine" spekuliert, die den Wikingern dabei geholfen haben sollen, mit ihren Schiffen tausende von Kilometern in Richtung Island und Grönland zurückzulegen. Einen Beweis für die Verwendung solcher Steine aus doppelbrechendem Calcit (oder Doppelspat) gab es aber lange nicht. Französische und britische Forscher sind nun überzeugt, im Wrack eines gesunkenen britischen Segelschiffs aus dem 16. Jahrhundert einen solchen Stein gefunden zu haben, mit dem sich der Stand der Sonne auch bei Wolken feststellen lässt. 

Im November 2011 berichteten Forscher um Guy Ropars von der Universität Rennes in der Bretagne von dem Fund eines Steins in den Überresten des 1592 im Ärmelkanal gesunkenen britischen Schiffes "Alderney". Dieser Kristall erhärte die Theorie, dass solche "Sonnensteine" tatsächlich genutzt wurden, wie sie in der britischen Fachzeitschrift "Proceedings A" der Royal Society schreiben.

Über eine chemische Analyse eines kleinen Teils des Steins wies eine Forschergruppe um Ropars nun nach, dass der gefundene, rund fünf Zentimeter lange Kristall tatsächlich aus Calzit ist. Der auch Kalkspat oder Doppelspat genannte Stein kommt in Skandinavien häufig vor. Mit einem gleich beschaffenen Kristall konnten die Forscher auch bei schwachem Sonnenlicht den Stand der Sonne mit großer Genauigkeit feststellen. Dies gelang sogar 40 Minuten nach Sonnenuntergang. "Für uns gibt es keine Zweifel: Calzit ist magisch", sagte Ropars.

Ersatz-Instrument, wenn der Kompass versagte

Calzit bricht Sonnenlicht in Abhängigkeit von seiner Position zur Sonne. Beim Blick durch Calzit sind zwei unterschiedliche Bündel des Sonnenlichts zu sehen. Durch Drehen des Steins kann eine Position erreicht werden, in der die Intensität beider Lichtbündel identisch ist. In diesem Moment zeigt der Kristall genau die Richtung der Sonne an.

Dass der "Sonnenstein" im 16. Jahrhundert - und damit Jahrhunderte nach Erfindung des Kompasses - an Bord eines britischen Schiffes mitgeführt wurde, erklären die Wissenschafter damit, dass über die Funktionsweise von Kompassen damals noch wenig bekannt war. Weil eine Kompassnadel in der Nähe von Kanonen, die an Bord waren, stark ausschlägt, könnte der "Sonnenstein" als zweites Navigationsinstrument gedient haben. (APA/red, derStandard.at, 09.03.2013)