Wie "Waisenkinder" seien die Venezolaner von ihrem am Dienstag verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez zurückgelassen worden, sagte Vizepräsident Nicolás Maduro. Und tatsächlich ist fraglich, ob ohne den von den Armen verehrten Caudillo das Projekt eines neuartigen Sozialismus von Dauer sein kann. Chávez-Gegner im US-Exil feiern bereits ihren baldigen Sieg.

International schmiedete Chávez Allianzen mit allen US-Feinden, vom Iran bis Syrien. Nachhaltig beeinflusst hat er mit der auf Ölreichtum beruhenden Macht ganz Lateinamerika, am konkretesten Kuba. Er sah in Fidel Castro eine Vaterfigur und rettete die Insel aus der Totalmisere nach dem Ende der Sowjetunion. Kuba entsandte als Ausgleich für sehr günstige Öllieferungen tausende Ärzte nach Venezuela. Jetzt wird in Havanna die Entwicklung nervös beobachtet.

Insgesamt 17 Staaten, darunter Nicaragua, profitierten bisher von günstigen Öllieferungen. Die größte Nähe gab es zu Bolivien und Ecuador. Dort versuchen die Präsidenten Evo Morales und Rafael Correa mit ähnlichen Ideen wie Chávez zu regieren: Weitgehende Nationalisierung der Bodenschätze, mit deren Erlösen Sozialausgaben finanziert werden. Dazu kommt die Verheißung einer "partizipativen Demokratie", die von Gegnern freilich als purer Populismus betrachtet wird.

Hilfe von Chávez gab es auch für Argentinien, wo er nach der Staatspleite von 2001 Anleihen in Milliardenhöhe kaufte. Vom Peronismus hat sich Chávez einiges abgeschaut. Er raufte sich aber auch mit der größten südamerikanischen Wirtschaftsmacht Brasilien zusammen, wo eher gemäßigt nach sozialdemokratischen Ideen regiert wird.

Im Jahr 2005 machte Chávez bei einer großen Konferenz im argentinischen Mar del Plata mit feurigen Ansprachen das Projekt der USA zunichte, den gesamten Kontinent in einer Freihandelszone von Alaska bis Feuerland zu vereinen. Nach und nach wandten sich alle lateinamerikanischen Regierungen davon ab.

Nach einigen Fehlstarts wurde 2011 in Caracas und wiederum auf Betreiben von Chávez ein Gegenmodell gegründet. Der Celac genannten Vereinigung gehören alle lateinamerikanischen und karibischen Staaten - von den rechts regierten bis zum kommunistischen Kuba -, nicht aber die USA und Kanada an. Vor kurzem haben die Celac-Staaten die EU-Mitglieder zum gemeinsamen Treffen in Chile eingeladen. Danach gab der konservative chilenische Präsident Sebastián Piñera den Celac-Vorsitz problemlos an Kubas Präsidenten Raúl Castro weiter.

Während dieses internationale Projekt Chávez überdauern könnte, beginnt ein anderes schon zu wackeln. Uruguay fühlt sich vom Mercosur, einer "südamerikanischen EWG", der seit 2012 auch Venezuela angehört, enttäuscht. Uruguays Präsident José Mujica, früher ein linker Guerillakämpfer, liebäugelt nun mit Handelsverträgen mit den USA.

Welche Dynamik solch zentrifugale Kräfte noch bekommen, hängt sicher von der Entwicklung in Venezuela selbst ab. Dort gilt neben Maduro, einem Zivilisten, der aus dem Militär kommende Diosdado Cabello als Machtanwärter. Bei den kommenden Wahlen könnte zudem auch der Rechtskandidat Henrique Capriles gewinnen. Und dann gäbe es da noch die Möglichkeit eines gewaltsamen Umsturzes. Dagegen haben Chávez' Erben bereits die Armee mobilisiert und bewaffnete Volksmilizen aufgestellt. (Erhard Stackl, DER STANDARD, 7.3.2013)