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"Wien hat's drauf", weiß Maria Vassilakou.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Zuletzt beklagte Dietmar Steiner, Direktor des Wiener Architekturzentrums, das Fehlen einer Stadtplanung und kam mehr oder weniger zum Schluss, dass Wien nicht das Zeug hätte für Olympische Spiele (Standard, 7. 3.). So sehr seine Analyse der Olympiastätten von der Kompetenz des international kundigen Architekturexperten getragen ist – sein Schluss ist zugleich Symptom dessen, was unsere Stadt scheinbar ausmacht: Man fokussiert darauf, was nicht gelungen ist, blendet dabei aber konsequent aus, worauf wir stolz sein können. Man traut der zeitgenössischen Stadt kaum Großes zu. In Wien scheint es stets das exklusive Privileg späterer Generationen zu sein, die Qualität vergangener Leistungen erkennen und genießen zu können. Die Zeitgenossen verwehren es sich selbst.

Klar, Olympische Spiele zu planen ist kein Picknick. Und es wäre nicht Wien, wenn man auf jede große Idee nicht so lange hinpecken würde, bis man sie wieder auf jenes bequeme mediokre Maß zurückgestutzt hat, das die Stadt vermeint zu vertragen.

Versuchen wir an dieser Stelle eine therapeutische Intervention: Stellen wir uns vor, was der Grund sein könnte, warum ziemlich viele Menschen gerne in Wien leben? Vielleicht hat es mit dem Zugang zu leistbarem Wohnraum zu tun und mit einem gut funktionierenden und leistbaren öffentlichen Verkehr? Möglicherweise mit der relativen sozialen Ausgewogenheit und dem freien Zugang zu Bildung? Vielleicht hat es mit den großen Erholungsräumen von Donauinsel bis Wienerwald zu tun? Es wäre falsch auszublenden, dass das alles Zeugnis konsequenter Planung und kluger Umsetzung ist.

Wien ist durchaus fähig, Großveranstaltungen als Motor für Stadtentwicklung zu nutzen. Es ist bald fünf Jahre her, dass die Fußballeuropameisterschaft in Wien zu Gast war. Unvergessen ist noch die Begleitmusik aus Untergangsvorhersagen; es wurde ein Erfolg. Das Ereignis war getragen von der Strategie, weg vom Auto, hin zum öffentlichen Verkehr. Die Kapazitäten, die damals die Fußballfans zum Stadion brachten, transportieren heute und in die Zukunft viele tausend Menschen, ohne dass sie ins Auto steigen müssen. Wir haben es sogar für mehrere Wochen geschafft, einen Teil der Ringstraße autofrei zu bekommen und als öffentlichen Raum (wieder) zu entdecken. Ich finde es noch immer schade, dass man damals nicht den Mut hatte, aus dem Provisorium eine Dauerlösung zu machen. Wien hat die EURO als Antrieb für den Bau einer hochleistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur genutzt, die uns heute erlaubt, das ehemals verschlafene Eck zwischen Prater und Handelskai zu einem vitalen Stadtteil zu entwickeln.

Ist alles super? Nein! Sollen wir mit dem Erreichten zufrieden sein? Natürlich nicht. Österreich hat genau genommen ein gehöriges Governance-Problem, und nicht nur in der Planung. Kompetenzzersplitterung, Parallelstrukturen, mangelnde Koordination und Kooperation, viel zu wenig Verbindlichkeit – nur ein paar der Struktur- und Systemschwächen, an denen Bund und Länder derzeit leiden. Da braucht es nicht nur einen allein, sondern gleich einen Haufen starker Männer und Frauen, um die dringend notwendige Föderalismusreform zu stemmen. Und ja, eine verbindliche Bundesraumordnung, die eine gemeinsame Entwicklungsperspektive unter Einschluss der ÖBB und Asfinag erarbeitet und koordiniert, wäre zugegebenermaßen bei der Planung von Olympischen Spielen sehr hilfreich.

Ich jedenfalls plädiere dafür, die Olympischen Spiele als Herausforderung selbstbewusst anzugehen und die damit verbundenen wichtigen Entwicklungsimpulse zu nutzen. Ich plädiere dafür, Olympia als das zu sehen, was es für Wien bringen kann: Ausbau des öffentlichen Verkehrs, neue Stadtteile mit großzügigen Grünräumen, Aufwertung öffentlicher Räume und Plätze, neue architektonische Wahrzeichen, Verkehrsberuhigung, Erneuerung von Sportstätten, Nachnutzung von Objekten etwa als Schulen oder Kultureinrichtungen und nicht zu unterschätzen eine gewaltige Konjunkturspritze. Können wir das? Und ob! Es wäre fatal, würden wir diese großen Ziele für die Zukunft jetzt schon ablehnen, weil wir heute schon zu wissen meinen, dass wir sie nicht erreichen könnten. Wien hat's drauf, und darauf müssen wir bauen. (Maria Vassilakou/DER STANDARD, 11.3.2013)