Vorbei die Zeit der Notimporte aus Frankreich: Nun gibt es den Express-Entferner auch hierzulande.

Foto: Maybelline/Jade

Ökonagellackentferner punkten mit angenehmerem Geruch.

Foto: Priti NYC

Kapitalismus ist von der Idee her ja eine produktefreundliche Sache, unausgesprochen ist eine seltsame Form von Ungleichgewicht, die sich trotz allen Wettbewerbs immer wieder einschleichen kann. Ein Beispiel aus der Kosmetikwelt. Jede Sommer- und Wintersaison wieder spült es Dutzende neue Nagellacke in die Regale der Parfümerien – und jeder ist schöner als der andere. Allein: bei der Auswahl der Nagellackentferner tut sich wenig bis nichts. Die Auswahl ist seit Jahren konstant, irgendwie dürftig und ohne jede Innovation.

So gut wie alle Hersteller wollen, dass man Wattepads tränkt und dann an den Nägeln rubbelt. Es gibt Lacke, die gehen einfach runter, andere wiederum unendlich mühsam und wenn man Pads an den Waschbeckenrand legt, macht das Flecken. Das alles wäre doch einen technischen Diskurs wert, denken sich die Nagellackfreundinnen seit vielen Jahren und die Allerkundigsten von ihnen kannten den ausschließlich in Geschäften der französischen Parfümeriekette Sephora erhältlichen Nagellackentferner "Bain dissolvant express" (7,50 Euro). Der funktionierte tausend Mal besser als die Wattepad-Abhängigen, denn in dieser Form war das Ablackieren eine Art Tauchstation für Nägel. Man bohrte sie in ein mit Nagellackentferner getränktes Schwämmchen mit Loch in der Mitte und in einer Sekunde war auch der schwierigste, weil blutrote, Lack ab – die Farbe auf Nagelrändern und -häutchen inklusive.

Vorbei die Zeit der Notimporte

Wer immer also in ein Sephora-Land reiste, hatte Aufträge von zu Hause. Die gute Nachricht: Die Zeit der Notimporte ist ab sofort vorbei. Die L'Oréal-Marke Maybelline hat die schmerzende Marktlücke erkannt und dieser Tage den "Express Remover" (7,99 Euro) vorgestellt und dieser ist ab sofort in allen Drogeriemärkten erhältlich.  Döschen öffnen, Finger reinbohren, fertig. Als Zusatzfeature wurde nicht einmal Aceton sondern Ethylester verwendet, "obwohl nichts, aber auch wirklich nichts gegen Aceton einzuwenden gewesen wäre", sagt Erich Leitner von der Gesellschaft österreichischer Chemiker.

Als Lösungsmittel habe es sich bestens bewährt, wenn es darum geht, den Lack – dessen Moleküle sich in den Nagel und auch untereinander verkrallen – voneinander zu trennen. Den Vorwurf, dass Aceton den Nagel schädige, kann er so nicht gelten lassen. "Der Nagel wird nicht ausgetrocknet, denn er ist an sich ja auch nicht feucht", so seine Logik. Was Leitner jedoch zugibt: Aceton brennt dort, wo kleine Hautrisse um die Fingernägel sind, aber an sich ist Aceton ist eine gut geprüfte Substanz und seit 50 Jahren am Markt."

Anleihe bei Autoherstellern

Damals nahm die Kosmetikindustrie Anleihe bei den Autoherstellern, die Aceton als Lösungsmittel für ihre Lackierungen einsetzten. Die flüchtige Substanz, die nach wenigen Sekunden verdampft, brauchten, um Nagellackentferner sein zu dürfen, nur mehr mit pflegenden ölhaltigen Ingridienzien "aufgefettet" zu werden. Der Geruch von Nagellackentferner  ist trotzdem nicht jedermanns Sache. Denn die – laut Chemiker Leitner zweitbeste Substanz nämlich Ethyl- oder Buthylester – riecht auch nicht viel besser und muss zudem kurz einige Zeit einwirken.

Eine Alternative bleiben die teuren Öko-Nagellackentferner wie etwa "Priti NYC Soy Nail Polish Remover" (17 Euro), hier werden Lackverbindungen mit einem Gemisch aus Säure und Alkohol getrennt; es empfiehlt sich, den Nagellackentferner kurze Zeit ganz locker aufzutragen und ein bisschen zu warten, bevor man das Wattepad zum Einsatz bringt. Dann rubbelt es sich leichter weg. "Je teurer ein Nagellackentferner, umso mehr Hautschutz wie Glycerin-Esther und Ceramide sind enthalten", so Leitner. Die Herausforderung liege laut Leitner darin, aus den vielen Ingredienzien eine gute Formulierung hinzukriegen. Eine Flüssigkeit also, die langfristig auch gut vermischt bleibt: "Aceton hält hingegen nahezu ewig".

Komfortabler bleibt die Maybelline-Lösung und die Hoffnung, dass sich die Kosmetikindustrie eines Tages auf die Suche nach ihren "vernachlässigten Schafen" macht und ihre Produktentwickler darauf ansetzt. Damit die kapitalistische Kosmetikwelt noch besser als gut wird. (Karin Pollack, derStandard.at, 23.4.2013)