Österreich blickt bei Pferderennen auf eine lange Tradition zurück. 2013 ist vom einstigen Renommee nicht viel übrig. Für die Sanierung der verfallenden Tribünen stellt die Stadt als Besitzer des Areals keine Mittel zur Verfügung. Und der Wiener Trabrennverein kämpft als Pächter damit, die laufenden Kosten zu decken.

Zum ersten Mal hörte ich von der Krieau Ende der 1980er Jahre. Vorwärts Steyr war in die Fußball-Bundesliga aufgestiegen und empfing die große Austria aus Wien. Die heimischen Fans brachten die Pferde der Trabrennbahn in wenig schmeichelhaften Sprechchören mit dem Aussehen des damaligen Austria-Spielers Peter Stöger in Verbindung. Dass der Pferderennsport in Österreich eine weit längere Tradition hat als der Fußball, wusste ich damals noch nicht.

Foto: derStandard.at/Michael Matzenberger

1878 wurde die Trabrennbahn Krieau im Wiener Prater eröffnet. Ihr Name stammt vom gleichnamigen Bezirksteil, um den im 16. Jahrhundert ein jahrzehntelanger Streit zwischen Wien und dem Stift Klosterneuburg herrschte. Die deshalb "Kriegsau" genannten Ländereien im heutigen Bezirk Leopoldstadt wurden schließlich Wien zugesprochen.

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Der Trabrennsport hat seine Ursprünge in Ungarn und fand über Österreich seinen Weg um die Welt. Als die Sulkyfahrer in der Krieau bereits vor 135 Jahren um den Sieg ritterten, sollte die erste Trabrennbahn in Deutschland erst 15 Jahre später eingeweiht werden. Große Popularität in der Bevölkerung gewann das Traben im Prater allerdings erst mit den Reformideen des Wiener Journalisten Viktor Silberer in den 1880er Jahren.

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Silberers Kernidee war die Einführung des Totalisators. Bei diesem Wettsystem hängen die Quoten nicht von der Einschätzung des Buchmachers ab, sondern von der Gesamtheit der abgegebenen Tipps. Tausende drängten sich nun an den Renntagen um das Oval in der Krieau und hofften auf ihr Glück. Die Einnahmen erlaubten es, in den 1910er Jahren die Otto-Wagner-Schüler Emil Hoppe, Marcel Kammerer und Otto Schönthal mit dem Bau mehrerer dreistöckiger Tribünen zu beauftragen. 1919 wurde der Zielrichterturm erbaut.

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Mit dem Untergang der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg schwand auch die Vorherrschaft Österreich-Ungarns im europäischen Trabrennsport. Das Publikumsinteresse blieb trotz wirtschaftlich schwieriger Bedingungen aufrecht. 1930 wurde eine Flutlichtanlage für Abendrennen installiert, bevor die Zeiten wieder dunkler wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Bahn in Schutt.

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In der Nachkriegszeit wurde das Stadion wiederaufgebaut und die Pferderennen erlebten ihre letzte Blütezeit - sie sollte bis in die 1980er Jahre dauern. Zu den großen Derbys kamen über 12.000 Menschen, viele im Wettfieber. Dass Pferderennen und Wetten untrennbar verknüpft waren, wurde dem Sport aber bald zum Verhängnis. Denn am Wett- und Glücksspielsektor tauchten Alternativen auf, die breite Masse versuchte lieber beim Lotto, in Wettlokalen und schließlich im Internet ihr Glück.

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Heute kommen im Schnitt nur mehr wenige hundert Besucher zu den Rennen. Der 1873 gegründete Wiener Trabrennverein kann gerade kostendeckend arbeiten, erzählt mir der Generalsekretär, Thomas Kancnyr. An der sinkenden Popularität lasse sich auch der Zeitgeist ablesen - gegenüber Wett- und Glücksspielen herrsche in der Gesellschaft mittlerweile eine ausgeprägte Skepsis. Zudem steht der Pferdesport zunehmend unter der kritischen Beobachtung von Tierschützern.

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Am Nischendasein des Pferdesports krankt auch die Infrastruktur der Bahn. Die größere der drei Tribünen wurde zwar von 2000 bis 2002 restauriert. Die beiden kleineren, von denen eine mittlerweile den Immobilienplanern von IC Projektentwicklung gehört, verfallen. Wie ein Teil der Stallungen und der Verwaltungsgebäude stehen die Zuschauerränge seit 1991 unter Denkmalschutz. Bei der dringend nötigen Generalsanierung müssten also strenge Auflagen erfüllt werden, die ein solches Ansinnen nicht billiger machen. Mehr als der Pächter - der Trabrennverein - wären aber die Eigentümer des Areals gefordert. Derartige Pläne gibt es nicht.

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Um dauerhaft in den schwarzen Zahlen zu bleiben, sieht sich der Trabrennverein nach neuen Einnahmequellen um. So werden spezielle Renntage in Kooperation mit dem französischen Wettanbieter PMU über Satellit übertragen. Wettteilnehmer in Frankreich können dann auf den Sieger in der Krieau tippen und der hiesige Trabrennverein am Umsatz mitnaschen. Anders als in Österreich sind Pferdewetten in Frankreich weiterhin ein Milliardengeschäft. "Frankreich ist ein Land der Pferde", sagt Kancnyr.

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Weil auch das die finanziellen Sorgen nicht langfristig löst, wird das Sandoval häufiger Veranstaltern abseits des Pferderennsports überlassen. Heuer werden in der Krieau einige große Konzerte veranstaltet. Green Day, Bon Jovi, Die Ärzte und Robbie Williams sind gebucht. Und so schließt sich der Kreis: Wenn er ein richtiger Robbie-Williams-Fan ist, wird auch Peter Stöger in die Krieau kommen. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 25.4.2013)


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