Wolfgang Schlögl (I-Wolf) koordiniert die Herztöne seines zwei neue Alben abwerfenden Trip-Hop-Projekts. 

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Wien - Wer in der Kunst sehr viel arbeitet, hat entweder seinen Beruf sehr lieb oder ein schlechtes Zeitmanagement. Es kann auch sein, dass die Musen sich mit dem Schmusen zurückgehalten haben und sich nun der kreative Mensch tatsächlich alles hart erarbeiten muss. Schön blöd, schließlich wird man ja nicht Bohemien, um zu schuften, sondern um seinen Bankberater in den Wahnsinn zu treiben.

Beim Wiener Musiker Wolfgang Schlögl verhält es sich ein bisschen anders. Erstens steht der Mann in der Früh leicht auf. Ein Leben mit schulpflichtigen kleinen Lausern erspart viel wochentägliches Extemporieren und Outrieren vor dem Wecker: In a family no one hears you scream. Die Arbeit in der Nacht ist außerdem ein Klischee für Leute, die Sonnenbrillen tragen, weil es in der Disco so hell ist. Zweitens purzelt der vor gut 20 Jahren einmal losgetretene Bass ohne Unterlass aus Schlögl heraus.

Das ist im konkreten Fall eine glückliche Fügung. Denn die vom jamaikanischen Dub stark beeinflusste Musik, die Wolfgang Schlögl hauptsächlich mit seiner Stammband Sofa Surfers und nun nach beinahe einem Jahrzehnt Pause auch mit seinem Soloprojekt I-Wolf produziert, soll nicht klingen, als ob man einen Besen verschluckt hätte. Das muss leicht und ohne Anstrengung kommen. Die Beats müssen schwer und wuchtig sein. Der Bass muss in die Magengrube fahren. Das darf aber zu keinen körperlichen Komplikationen führen.

Nach dem geschmackssicher zwischen Wummer-Rock und Düster-Dub changierenden Sofa-Surfers-Album Superluminal von 2012, diversen Bühnenmusiken für die Wiener Theater im Rabenhof und in der Josefstadt sowie diversen Nebenprojekten etwa mit dem Slow Club, dem Faraday Orchestra und zuletzt dem tollen Elektroballadenblues mit Paradies der Tiere kehrt Schlögl exakt zehn Jahre nach seiner Großtat Soul Strata mit zwei Alben zurück.

Dafür hat sich Schlögl nun auch eine unkonventionell besetzte Band zugelegt. Man nennt sich I-Wolf & The Chain Reactions. Schlögl und beschäftigt die drei Sängerinnen Aisha, Briknie und Nomadee. Wofür man sonst ganz stark sein muss, weil man in der Hochzeit Andreas Vollenweiders und Angelo Branduardis aufgewachsen ist, aber 30 Jahre danach noch nicht darüber sprechen kann, weil alles noch so frisch ist: Der portugiesische Musiker Eduardo Raon sitzt bei I-Wolf hinter einer zünftig elektronisch verfremdeten Harfe. Mia Zabelka spielt eine avantgardistische Geige. Es gibt selbstverständlich einen Bassisten namens Eddie Siblik. Schlögl schreckt auch nicht vor dem Engagement von Flöte und Saxofon zurück. Am Schlagzeug verbreitet Elektronikproduzent Sixtus Preiss Sicherheit im mittleren Tempobereich.

Man könnte das durchaus auch als späte Interpretation von lichtabgewandtem Trip-Hop und dessen künstlerisch zentralem Protagonisten Tricky durchgehen lassen. Tricky hat übrigens nach langem kreativen Durchhänger gerade ebenfalls ein überzeugendes neues Album namens False Idols veröffentlicht, das endlich wieder durch abgrundtiefes Pochen, Kifferparanoia und verhustete Flüstervocals überzeugen kann.

Im Gegensatz zum britischen Altmeister hat Schlögl allerdings nicht seine beiden neuen Arbeiten namens Flesh + Blood sowie Skull + Bones mit Endzeitstimmung, Kater und der Botschaft vollgestopft, das alles den Bach hinuntergeht. Wobei das großteils solo im Studio eingespielte Album Skull + Bones all jenen Menschen gewidmet ist, die man im Laufe des Überlebens an den Tod verliert, während das live mit Band eingespielte Flesh + Blood trotz manch zorniger Untertöne im Exploitation Blues all jenen gewidmet ist, die man liebt.

Wolfgang Schlögl mag als guter Familienvater im Gegensatz zu Tricky nicht zehn Kilo Gras pro Jahr benötigen, um dem Leben einige schöne Aspekte abzugewinnen. In seinem Fall reichen möglicherweise drei Achterl Veltliner pro Woche. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass der I-Wolf nicht auch zwischendurch mächtig sauer auf die bestehenden Verhältnisse werden kann und dann dementsprechend so wie einst Bonnie Prince Billy und Johnny Cash eine Dunkelheit kommen sieht. Da passt dann ja auch Soul wie die Faust aufs Auge. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 25./26.5.2013)