Melanie Fraunschiel ist eine der boxerischen Hoffnungen für Olympia 2016 in Rio. Österreichs Meisterin hat keine Angst vor harten Treffern, behält aber gerne den Kopfschutz.

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Wien - Ohne Österreicher, aber zum letzten Mal mit Kopfschutzpflicht hebt am Samstag in Minsk, Weißrussland, eine EM im Amateurboxen an. Der Weltverband (Aiba) setzt mit der Abschaffung des Kopfschutzes einen Schritt in Richtung professioneller Konkurrenz und kommt auch den mächtigen Olympiern entgegen. Die fordern die Modernisierung der traditionellen Sportarten.

Vom Boxen war etwa ein höherer Wiederkennungswert der Sportler gefordert. Dem standen die Helme eindeutig entgegen. Bedenken, dass ohne den unbequemen Kopfschutz die Verletzungsgefahr steige, halten die Befürworter der Reform Ergebnisse aufwändiger Studien entgegen. Die Verletzungsgefahr erhöhe sich schon deshalb nicht, weil ohne Helm ankommende Schläge für die Adressaten einfach früher und besser zu sehen seien.

Diesem Argument kann auch Melanie Fraunschiel etwas abgewinnen. Dennoch ist Österreichs Meisterin in der olympischen Klasse bis 60 Kilogramm recht froh, dass boxenden Frauen wie auch Jugendlichen unter 19 Jahren der Kopfschutz vorerst erhalten bleiben soll. Dabei hat die 28-jährige Wienerin, die als Qualitätsmanagerin am Institut für medizinische Statistik und Informatik der Medizinischen Universität Wien wirkt und den Sport "einfach als Ausgleich" braucht, nachgewiesenermaßen keine Angst vor härteren Bandagen.

Fraunschiel wechselte erst im Jänner 2010 auch wegen der olympischen Perspektive vom Kyoku-shin-Karate zum Boxen. Kyoku-shin-Karate gilt als der härteste traditionelle Vollkontakt-Kampfsport, ausgetragen nur mit Zahn-, Tief- und Brustschutz. Fauststöße zum Kopf sind allerdings in dieser Sportart nicht gestattet.

Fraunschiel, die beim Bundesheer mit ihrem Trainer Gerald Pelikan in Kontakt kam und für den JAB-Club im 23. Wiener Gemeindebezirk in den Ring steigt, erregte nach nur einem halben Jahr einschlägigen Trainings die Aufmerksamkeit des Boxverbandes und also dessen Bundestrainers Adolf Angrick.

Der Deutsche wollte schon zu den Olympischen Spielen nach London mit einer Boxerin reisen. Aber die Burgenländerin Nicole Trimmel, die für Olympia das Kickboxen, in dem sie Welt- und Europameisterin war, sein ließ, scheiterte an der Qualifikation durch eine Erstrundenniederlage bei der WM in China. Die 30-Jährige ist inzwischen in ihr Metier zurückgekehrt. Angrick setzt bei den Frauen nun auf Fraunschiel, für die die Quali für Rio de Janeiro ein Traumziel ist, "das sehr schwer zu erreichen ist". Schließlich können sich nur vier Europäerinnen qualifizieren.

Näher liegt für Fraunschiel, die sich pro Woche acht bis neun Trainingseinheiten gibt, das Sammeln von Kampferfahrung. "Ich möchte so oft wie möglich boxen." Zehn oder 50 Kämpfe in den Fäusten zu haben sei ein großer Unterschied. Ihr nächster Fight steigt am 8. Juni. Da verstärkt Fraunschiel den Tiroler Boxclub Unterberger in Jenbach gegen Lok Leipzig.

Bounce gegen Bayer

Keine Gelegenheit bekommt Österreichs weibliche Nummer eins am Samstag, wenn der Boxclub Bounce, Heimverein von Österreichs Profistar Marcos Nader, in der Wiener Paho-Halle einen Vergleichskampf gegen Bayer Leverkusen austrägt. Die Revanche für das in Deutschland vor sechs Wochen gewonnene Meeting gilt den Österreichern als Vorqualifikation für Olympia in Rio. Dort boxen die Männer dann definitiv ohne Kopfschutz - ob auch ohne österreichische Beteiligung, wird sich erst weisen. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 1.6.2013)