Klagenfurt - Der erste Tag des Bachmannpreises, meinte Jurorin Daniela Strigl, sollte zum Tag des Schamhaars ausgerufen werden. Und tatsächlich fielen heuer von Anfang an die Hüllen.

In Larissa Boehnings Text erinnerte eine gekochte Ochsenzunge den Protagonisten an einen "fleischigen Riesenpenis". Auch in Joachim Meyerhoffs Beitrag spielte das Gemächt eine Rolle, nämlich als eine Art Stütze beim Klau eines vorne in den Hosenbund gesteckten großformatigen Bildbandes. Und in Nadine Kegeles Text, in dem sich besagte Schamhaare im Badewasser kräuselten, standen Brüste weniger für Weiblichkeit denn als Metapher für herbeigesehnte oder unerwünschte Schwangerschaft.

Die Hosen muss im Zuge einer Polizeikontrolle auch der Erzähler in Zé do Rocks Text runterlassen. Der in München lebende, in Porto Alegre geborene Autor hetzte Freitagfrüh in der von ihm schon länger gepflegten Kunstsprache "kaudadeutsh", die Rechtschreibprobleme eher progressiv angeht, einen Tramper durch Brasilien. Das ist ab den ersten Zeilen lustig. "keine bange, (...) der zug, der gerade weggefahren is, ist der zug, der gestern um 12:30 uhr hätte losfahren sollen", meint ein Beamter der brasilianischen Bahn zu einem Schweizer, der sich aufregt, weil ihm um 12 der für halb eins angekündigte Zug vor der Nase abfuhr.

Während es bisher einem literarischen Todesurteil gleichkam, beim Bachmannpreis Lustiges zu lesen, haben sich die Zeiten nun geändert. Zé do Rocks Text, der sich mit "filosofie" und "teologia" ebenso auseinandersetzt wie mit Political Correctness und Klischees, wurde von der Jury wohlwollend aufgenommen. Mit dem in märchenhafter Sprache gehaltenen Beitrag der jungen, in Odessa lebenden Österreicherin Cordula Simon taten sich die Juroren schwer. Zu viel sei in dieser in der ländlichen Ukraine angesiedelten Geschichte über einen misslungenen weiblichen Ausbruch nicht gedeckt.

Ebenfalls in die Ukraine, in das Kiew des Jahres 1941 und in ein erinnertes Großmutterleben, führte am Freitag Katja Petrowskaja. Nicht wirklich überraschend dann auch die Beiträge Heinz Helles und Philipp Schönthalers, die dem berüchtigten Genre jener "Klagenfurttexte" zuzurechnen waren, die sich durch viel Kopf, viel Oberfläche, aber keinerlei Körperlichkeit auszeichnen. (Stefan Gmünder, DER STANDARD, 6./7.7.2013)