Im Zeichen des intellektuell-avancierten, dennoch stets eingängigen Weißbrot-Funk: Franz Ferdinand.

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Wien - In Wahrheit wollen die Leute nicht überrascht werden, höchstens ein bisschen. Die sind alle ganz zufrieden damit, dass sie immer wieder dasselbe vorgesetzt bekommen. Frag sie einmal, ob sie anders sein wollen. Sie werden sagen, ja, schon, aber nicht zu sehr. Weil so anders sein, dass man damit bei den anderen auffällt, das wäre unangenehm. Anders sein ist gut, aber am besten geht das in einer Gruppe. Man ist nicht allein anders und bekommt von den anderen auch nicht zu sehr anderen doch den Rückhalt, dass man sich von der Masse unterscheidet.

Kollektiver Individualismus, das ist der totale Bringer. Das lässt sich auch wirtschaftlich besser bewältigen. Gar nicht daran zu denken, was da in der Produktion plötzlich für ein Kuddelmuddel herrschen würde, wenn jeder etwas anderes anziehen, lesen, hören wollte! Hingegen funktioniert es super, wenn man zum Beispiel die jungen Leute in eine überschaubare Anzahl von Gruppen einteilen kann, die Wert darauf legen, dass sie sich voneinander abgrenzen, aber dann doch in den Filialen derselben Textilkette einkaufen können.

Zwischen coolen Metal-T-Shirts von Motörhead, kreativen Fensterglasbrillen für Hipster, Ramones-Ruderleiberln für rebellische Punks und irgendetwas Brüllbuntem für irgendwie jeden Anlass zwischen Kinderjause und Open-Air-Festival klaffen wenig Unterschiede. Man ist freundschaftlich mit Gewinnspannen verbunden. Und für die wirklich coolen Menschen, die das alles durchschauen und ablehnen, gibt es dann dort natürlich auch die schwarzen Hemden zu kaufen, in denen man besser kritisch-nachdenklich dreinschauen kann.

Für diese Zielgruppe, an die marketingtechnisch nur unter schwierigsten Umständen heranzukommen ist, weil sie gleich einmal aufsässig wird, wenn man ihr zu anlassig kommt, hat man heuer beim Frequency Festival in St. Pölten neben Nick Cave and the Bad Seeds oder Tricky speziell auch die schottische Band Franz Ferdinand gebucht.

Auf die können sich interessanterweise nicht nur alle einigen (einige natürlich individueller als andere nicht so vehement mit Alleinstellungsmerkmalen gesegnete Leute). Auch die G'scheiterln, die auf dem Konzertgelände distanziert seitlich eher hinten stehen und darunter leiden, dass da ihre Band von der Masse so vereinnahmt wird, können das gut leiden. Da können sie nach dem Konzert so angewidert nach Hause fahren, wie sie wollen: Eintritt haben sie bezahlt. Man muss schließlich für alles bezahlen.

Franz Ferdinand, die Band aus dem Kunststudentenumfeld im schottischen Glasgow, hat vier Jahre nichts von sich hören lassen. Das war nicht so schlimm. Zackiges Gitarrengepolter und Lieder, die man sich gut merken kann, weil alle schon sehr unterschiedlich, aber so ähnlich klingen, gibt es ja sonst auch noch auf der Welt. Arctic Monkeys, Maximo Park, der Betrunkene von den Babyshambles, der Heroin spritzt, all die Partien, die die Nullerjahre trotz Hitparaden-Tschin-Bumm und Techno-Einheitsbrei zu einem sehr individuellen Jahrzehnt gemacht haben, sind schließlich auch noch da.

Nun kehren der so lustig im oberen Brustbereich knödelnde Sänger Alex Kapranos und seine drei Kollegen mit ihrem vierten Album zurück. Es trägt den Titel Right Thoughts, Right Words, Right Action und sieht die Band ganz im Zeichen des intellektuell-avancierten, dennoch stets eingängigen Weißbrot-Funk, wie ihn ältere Vorbilder Franz Ferdinands einst in der Postpunk- und New-Wave-Zeit kultiviert haben. Die Gitarren schängalängen im Shuffle-Modus dahin, wie er auch vom Discokönig Nile Rodgers bei Daft Punks Get Lucky gefeiert wird. Die Drums marschieren im Stechschritt über die Tanzfläche, der Bass pumpt. Wir hören einen gezielten Angriff auf die Gewöhnlichkeit des Daseins. Damit das Ganze nicht zu sehr ausartet und im Funk der Buchstabe N gegen ein C ausgetauscht wird, was zu einer Katastrophe führen würde, wurde im Beckenbereich allerdings eine Indie-Rock-Hüftsperre eingebaut. Hier geht es gesittet zu. Die Leute, die anders sind, werden beim Frequency Festival begeistert sein. (Christian Schachinger, DER STANDARD, 13.8.2013)