Schaut nicht aus wie ein König, nennt sich aber King Krule alias Archy Marshall.

Foto: xlrecordings

 KING KRULE
Six Feet Beneath The Moon (XL Recordings)
Der britische Teenager Archy Marshall ist mit einer Stimme gesegnet, die im Wesentlichen an Pete Doherty erinnert, wenn dieser noch dazu in der Lage ist, mit Worten an der Bar ein Bier zu bestellen. Klingt ein bisschen so, als ob alles raus muss, aber noch drinnen bleibt. Mit sparsam eingesetztem Laptop, knausrig geschlagener Gitarre und kräftigem an "My Way" in der Version von Sid Vicious geschultem Gesang berichtet King Krule aus der Tristesse der britischen Vorstädte und ringt dem Plattenbaugrau und Selbstmordbraun schillernde Aspekte ab. Ein großes Talent.

ICEAGE
You're Nothing (Matador)
Beinahe übersehen, dafür jetzt sehr gern als Soundtrack im Auto, wenn man im Stau steht, es nicht mehr aushält, die Uzi aus der Tasche auf der Rückbank holt und nach vorn geht, um nachzuschauen, warum da nichts weitergeht: Die ebenfalls blutjunge Band aus Kopenhagen definiert Punk als wilden, brutalen Amoklauf, kommt dabei aber weitgehend ohne Klischees und Abziehbildverdacht aus. Nihilistische Attacken auf die blöde Welt und darauf, warum sie nicht mehr zu bieten hat. Frustration, Enttäuschung, Explosion. Bevor Joy Division im Studio auf depressiv gemischt wurden, hatten sie so ähnlich geklungen. Auch Iggy & The Stooges hätten ihre Freude daran. Suchen und zerstören.

KAREEM
Porto Ronco (The Death Of Rave)
Der Berliner Produzent Patrick Stottrop produziert seit Mitte der 1990er-Jahre harten, an Industrial angelehnten Techno mit dem Dunkelmanntouch. Nach persönlichen Schicksalschlägen und möglicherweise auch einer gesundheitlichen Neuorientierung scheint nun die Party vorüber zu sein. "Porto Ronco" dokumentiert ohne Beats und im Genre des sogenannten Dark Ambient angesiedelt über 45 Minuten lang jene Zeit nach dem Ausschweifengehen, wenn gar nichts mehr geht, man aber leider noch nicht zu Hause ist. Intensive, manchmal furchteinflößende Soundwälle, dunkles Pochen, hysterisches Zittern. Eines der überzeugendsten Elektronikalben in diesem Jahr.

KEN CAMDEN
Space Mirror (Kranky)
Der Gitarrist aus Chicago spielt ansonsten beim sinistren Dröhnrock-Quartett Implodes. Auf seinem zweiten Soloalbum versucht er, dem Leben eher die helleren Seiten abzugewinnen. Dazu macht er sich ganz naiv im Sinne alter Fernsehdokumentationen über das Weltall auf zu den Sternen, fliegt durch freundliche Meteoritenfelder, diverse psychedelische Nebel, wie sie einst bei "Star Trek" sehr beliebt waren, und hüpft auf den Ringen des Saturns hin und her, wobei eine lustige spacige Melodie entsteht. Früher nannte man das kosmologische Musik. Sie neigt ein wenig zum Kitsch. Aber, hey, wenn wir es nie billig geben, verliert auch das Teure seinen Wert.

FUCK BUTTONS
Slow Focus (ATP Recordings)
Das Duo aus dem britischen Bristol durfte exzentrischerweise die Olympischen Sommerspiele in London eröffnen, fühlt sich aber trotzdem dem Lärm verpflichtet. Zwar sind die Zeiten des ganz großen groben Haudraufs vorbei, in handwerklich erstklassiger Schichtbauweise entstehen aber immer noch beinahe schon kitschig noisige Stücke mit lustigen Synthie-Teppichen aus dem Fundus von Tangerine Dream, die sich über Kriegsgetrommel aus "Planet der Affen"-Filmen auch für eine Indie-Rock-Jugend recht verträglich gestalten. Da kann man Samstag im Wiener Chelsea super dazu tanzen, Oida. (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 16.8.2013)