Die Broschüre des Justizministeriums will auf knapp 200 Seiten "verständlich und unterhaltsam" Antworten zu "wichtigen Alltagsfragen", unter anderem eben auch zum Thema Wohnen, geben. "Inhaltlich richtig" war offenbar kein so wichtiges Kriterium.

Screenshot: derStandard.at

Wer zum Thema Mietrecht umfassend informiert werden will, ist damit garantiert besser bedient: Der Band "Mietrechtsgesetz 2013", erschienen im April in der ÖVI Edition, gilt als das "Vermächtnis" des im Dezember 2012 mit nur 57 Jahren verstorbenen Wohnrechtsexperten Wolfgang Dirnbacher. Die Endredaktion besorgten Karin Sammer und Anton Holzapfel vom ÖVI.

Cover: Edition ÖVI

"Der Vermieter muss im Falle einer Befristung dem Mieter einen 25-Prozent-Abschlag vom Richtwert gewähren." So steht es geschrieben in einer Rechtsbroschüre, die vom Justizministerium veröffentlicht wurde.

Das ist einigermaßen peinlich, denn es ist eine Fehlinformation, und es ist nicht die einzige in dem Büchlein, das hier online gelesen werden kann. Richtigerweise muss es "Richtwertmietzins" heißen – denn dieser setzt sich aus dem gültigen Richtwert sowie diversen Zuschlägen (und gegebenenfalls auch Abschlägen) zusammen.

Ein Dutzend Unrichtigkeiten

SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Johann Maier zählt in einer parlamentarischen Anfrage an Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) nun rund ein Dutzend "Fehler, Falschinformationen, Unrichtigkeiten und Missverständlichkeiten" auf, die sich in jene nur 15 Seiten der Broschüre, die das Thema Wohnen behandeln, eingeschlichen haben. Und er richtet auch acht Fragen an Karl - unter anderem die, ob die Broschüre mit dem Titel "Alles was Recht ist" vor der Drucklegung überhaupt von Experten und/oder Mitarbeitern ihres Kabinetts auf inhaltliche Richtigkeit überprüft worden ist.

Einigermaßen peinlich ist die Causa freilich nicht nur für das Justizministerium, sondern auch für sämtliche professionellen Beobachter, einschließlich uns Journalisten. Die Broschüre wurde nämlich bereits Anfang März (!) vorgestellt und ist damit seit mehr als fünf Monaten gedruckt und elektronisch verfügbar. Dass in dem Schriftstück aber mit Begriffen höchst ungenau umgegangen wird, unvollständige und auch schlicht falsche Angaben gemacht werden, ist bis vor kurzem offenbar niemandem aufgefallen.

"Kein Ersatz für Experten"

Laut Ö1-Morgenjournal sieht man im Justizministerium in der Broschüre ohnehin "natürlich keinen Ersatz für einen Rechtsanwalt oder den Rat von Experten", wiewohl sie "auf dem Wissen der Fachexperten des Ministeriums" beruhe. Ein steirischer Journalist habe die Texte zuletzt noch überarbeitet, um sie "auch für Nicht-Juristen gut lesbar" zu machen, heißt es. Ob dabei die Fehler entstanden sein könnten, wird noch geprüft, eine Neuauflage steht im Raum.

Maier sieht die Verantwortung jedenfalls bei Justizministerin Karl, und er fordert, dass den gedruckten Broschüren zumindest ein Beiblatt angefügt wird, das auf die Falschinformationen hinweist. Grundsätzlich ist für ihn damit aber jedenfalls der Beweis erbracht, dass sich "offenbar nicht einmal mehr das Justizministerium im Mietrecht auskennt". Man brauche daher so rasch wie möglich eine große Novelle des Mietrechts und am besten "ein einheitliches Mietrecht für alle", sagte er am Freitag auf einer Pressekonferenz.

Reform in weiter Ferne

Für eine umfassende Neuaufstellung des Mietrechts spricht sich bekanntlich auch seit Jahren schon die Immobilienwirtschaft aus, und die Justizministerin hat auch erst kürzlich eine Arbeitsgruppe mit der Erstellung von Vorschlägen beauftragt. Diese ist allerdings schon wieder heftig umstritten, noch bevor sie überhaupt richtig zu arbeiten beginnen konnte (wir berichteten). Dazu kommt, dass Ministerin Karl selbst nach diversen äußerst umstrittenen Äußerungen in der jüngeren Vergangenheit als erste Ablöse-Kandidatin nach der kommenden Nationalratswahl gilt. Die fehlerhafte Rechtsbroschüre hat daran mit Sicherheit nichts geändert. (Martin Putschögl, derStandard.at, 16.8.2013)