Sie glauben, dass die kyrillische Schrift eine Bedrohung für Kroatien darstellt. Sie fühlen sich im Recht, weil sie Vukovar verteidigt haben. Sie sind mental noch immer in diesem Krieg. Und das wird wohl noch ein wenig so bleiben. Das Problem ist nicht, dass Angehörige von Opfern von Kriegsverbrechen oder Kriegsveteranen sich mit ihren Erinnerungen schwertun. Das Problem ist, dass es keinen Konsens aller Eliten gibt, dass diese Erinnerungen von Minderheitenrechten getrennt werden müssen und dass Identitätspolitik für kroatische Staatsbürger nicht mehr über die Abgrenzung gegen "Serben" gemacht wird.

Solange die Eliten aber ambivalent sind und jedes Jahr die Rückeroberung der Krajina zelebrieren, die mit der Flucht von zehntausenden Serben einherging, oder den Ex-General und Ex-Bankräuber Ante Gotovina zum Heiligen stilisieren und gleichzeitig eine kritische Distanz zum Krieg am Beispiel der kyrillischen Amtsschilder in Vukovar fordern, darf auch die Bevölkerung verwirrt sein.

Dabei ist die Reintegration der Region um Vukovar nach 1997 ein Erfolg. Und in Vukovar gibt es uralte kyrillische Aufschriften und neuere auf Schulen und Kindergärten, die keinen stören. Abgesehen davon sorgt die neue, sehr positive Rhetorik der Regierung in Belgrad für einen Aussöhnungsschub, der an deutsch-französische Initiativen gemahnt. Auf diese neue Ära kann man sich aber nur verlassen, wenn sie auf allen Ebenen ernsthaft betrieben wird. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 4.9.2013)