Miserable Bezahlung, schlechte Gesundheitsversorgung, mangelhafte Arbeitsbedingungen: Die Verhältnisse für Migranten in Katar stehen nicht erst seit den Berichten über sklavenähnliche Zustände beim Bau der Fußball-WM-Stadien am Pranger. Katars Bevölkerung ist zweigeteilt. Auf der einen Seite stehen die Staatsbürger. Sie stellen ein Drittel der im Land lebenden Bevölkerung. Auf der anderen Seite stehen Migranten. Sie machen zwei Drittel aus. Die meisten davon sind Männer.

Zwischen diesen Gruppen ist der Zugang zur staatlichen Infrastruktur, vor allem bei Bildung und Gesundheit, ungleich. Dank dem größten reinen Ergasfeld der Welt und einem Wirtschaftswachstum 2012 von sechs Prozent sind die Staatsbürger Katars die reichsten der Welt. Pro Kopf liegt das Bruttoinlandsprodukt  laut Institute for International Finance bei 106.000 US-Dollar. Zum Vergleich: Österreich liegt bei 42.600 Dollar pro Kopf. Indes hat Human Rights Watch das Gastgeberland der WM 2022 mehrmals für seinen Umgang mit Migranten verurteilt. Migranten tragen den Boom, vor allem der Baubranche. 94 Prozent der beruflich aktiven Personen in Katar sind Migranten. Das zeigt eine Untersuchung der staatlichen Statistikbehörde aus 2011. Die meisten Personen ohne die katarische Staatsbürgerschaft arbeiten im Baugewerbe, Handel und Dienstleistungen sowie als Angestellte in Privathaushalten.

Ein kleiner Teil der Migranten arbeitet unter besseren Bedingungen: Zwei Prozent zählen zu jenen Personen, die als hochqualifiziert gelten. Vor allem Unternehmen aus dem Westen sind hier einzurechnen – mitunter auch österreichische Firmen wie die Porr AG, die das U-Bahn-Netz für Doha plant

Eine detaillierte Statistik zur Herkunft der Migraten gibt es zwar nicht, die meisten kommen jedoch aus Afrika und Asien. Manche davon bezahlen hohe Vermittlungsgebühren an Agenturen, um eine Arbeitsstelle zu bekommen. Trotz sinkender Geburtenrate ist die Bevölkerung in Katar in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen. Nach UN-Berechnungen wird das Bevölkerungswachstum bis 2050 anhalten.

Die Ausbeutung der Migranten ist nicht auf Katar beschränkt, sondern ein Phänomen in der gesamten Golfregion. Die International Labour Organisation geht davon aus, dass 600.000 Arbeiter Opfer von Menschenhandel sind. Auch auf legalem Weg nutzen manche Arbeitgeber Möglichkeiten, um die Abhängigkeit der Migranten auszunutzen – begünstigt durch das sogenannte Kafala-System: Der Arbeitgeber übernimmt die Bürgerschaft für den Einreisenden und regelt die Formalitäten, sodass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Im Gegenzug händigen Migranten oft ihren Pass aus und dürfen den Arbeitgeber nicht mehr wechseln. Mit Ablauf des Vertrags nach meist zwei bis fünf Jahren endet die Abhängigkeit. Ein neues Regelwerk der Qatar Foundation, einer staatlichen Institution des Emirs, sollte die Verhältnisse für Migranten verbessern: Drei Wochen Urlaub, Übernahme der Anreisekosten und Zugang zu einer Waschmaschine sind unter den Forderungen. (Gerald Gartner, derStandard.at, 28.09.2013)