Urlaub wie anno 1695: Das revitalisierte Bauernhaus "Zehna Hube" in Semriach am Schöckl.

Foto: Zehenthof

"Und Achtung auf den Kopf!" Herta Eisenberger weiß, wovon sie spricht. Kaum hat man den ersten Stock unter Geknarre und Gequietsche des jahrhundertealten Holzes erklommen, steht man vor einer dunklen, düsteren - man könnte auch sagen: deutlich anpatinierten - Zimmertüre mit nicht einmal 1,60 Meter Höhe. "Geht scho, des passt scho, do eini."

Die Türschnalle aus Gusseisen liegt schwer in der Hand. Drin im Zimmer entfalten sich Holzwurmgebälk, Reibputz an den Wänden und alte, handbemalte Bauernschränke mit Herzerl-Optik und gepinselten Bleamerln. Nichts fake, alles echt. Die zittrige Gravur im Stubentram liefert den Beweis: 1695.

Der Zehenthof in Semriach, hoch oben in den Hügeln des steirischen Schöckls, ist einer von insgesamt 31 Hotelbetrieben, die sich auf die Vermietung von originalen, zumindest 100 Jahre alten Bauernhäusern und Troadkästen spezialisiert haben. Vermarktet werden die historischen Quartiere unter der oststeirischen Dachmarke Landlust. Und die Auflagen, um der Arge Landlust beitreten zu können, sind streng, sehr streng. Stilmöbel, Kitsch und jegliche historische Verzerrung werden nicht geduldet. Wer sich daran nicht hält, fliegt raus.

"Das alte Haus zu kaufen folgte einem Bauchgefühl", sagt Herta Eisenberger. Gemeinsam mit ihrem Mann Stefan betreibt sie seit vielen Jahren einen Landwirtschaftsbetrieb mit Mutterkuhhaltung, Forstwirtschaft und Urlaub auf dem Bauernhof. "Die Zimmervermietung läuft gut, die Arbeit macht uns Spaß, aber irgendwie war uns das zu wenig. Wir hatten den Wunsch, irgendwas zu machen, womit wir einen langfristig kulturellen Beitrag für die Region leisten und die für diese Gegend typischen Traditionen fortführen können."

Gesagt, getan. In Sankt Kathrein am Offenegg, keine 30 Kilometer von Semriach entfernt, fanden die Eisenbergers ein altes Bauernhaus aus dem späten 17. Jahrhundert, das für 13.000 Euro zum Verkauf angeboten wurde. Das Bauwerk wurde abgetragen, Stück für Stück durchnummeriert und katalogisiert und nach Semriach transportiert. "Da waren wir dann kurz verzweifelt", erinnert sich Stefan Eisenberger. "Wenn plötzlich so ein riesiger Altholzhaufen in der Wiese liegt und jeder sagt, das wird nix mehr, dann braucht man schon viel Biss und Vision, um das Projekt zu Ende zu bringen. Aber zum Glück hatten wir sehr gute Handwerker, die ein ziemliches G'spür für das Alte hatten." Seit Frühjahr letzten Jahres kann Landlust-konform genächtigt werden.

"Die Oststeiermark war früher das Armenhaus Österreichs, ohne Industrie, ohne Gewerbe und mit nur klein strukturierter Landwirtschaft", sagt Andreas Friedrich, Obmann der Arbeitsgemeinschaft Landlust. "Nachdem viele Bauern kein Geld für Umbau und Renovierung hatten, ist glücklicherweise jedoch noch sehr viel alte Bausubstanz vorhanden." Schätzungen zufolge gibt es im oststeirischen Hügelland ein paar Tausend historische Bauernhäuser und Troadkästen, also alte Lagerhütten fürs Getreide, die als Original erhalten geblieben sind. Die meisten davon stehen leer.

Mission: Bauernhausrettung

"Und so ist die Idee entstanden, die alten, wertvollen Häuser zu retten" , meint Friedrich. Durch jahrelange Aufklärung und Sensibilisierung sei es gelungen, immer mehr Bauern und Hoteliers für das Thema Revitalisierung zu begeistern. Den meisten Gästen gefällt's. Sie kriegen Bauernhof-Flair fernab von rot-weiß oder blau-weiß gestreiftem Almkitsch. Neben seinem Restaurant betreibt der Obmann selbst auch einen kleinen, 1652 errichteten Troadkasten mit Selbstversorgerküche, Doppelbett und Frühstückskorboption. Ein weiterer Schüttkasten befindet sich gerade in der Revitalisierungsphase. "Das braucht noch ein paar Jahre. Da fehlt noch viel Altholz. Ich fürchte, da sind noch etliche Flohmarktbesuche und Bauernhofreisen ausständig." Angepeilte Fertigstellung: 2015.

So lange muss man freilich nicht warten. In Straden in der Südsteiermark etwa lädt Rupert Rauch in einen Mix aus Bauernstube und zeitgenössischer Kunst. In St. Johann bei Herberstein lockt Felix Allmer, gezwirbelter Kinnbart, in eine 1706 errichtete Tavernenstube, die bis in die 1960er- Jahre als Bäckerei genutzt wurde und heute als Landgasthof Riegerbauer mit "Vulkanlandschnitzel" auf der Speisekarte und zwei Gästesuiten im ersten Stock weitermacht. Und am Lormanberg bei Kirchberg an der Raab führt Maria Schöllauf einen alten Hof, dessen unterschiedliche Gebäude heute an Gäste vermietet werden - vom revitalisierten Heuboden übers alte Presshaus bis hin zum "Romantikstöckl". "Wir wollten damals schon mit dem Caterpillar anrücken", gesteht Schöllauf. Aus der anfänglichen Abrisslaune wurde schließlich ein Langzeitprojekt mit regionaler Wertschöpfungskette und Liebe zum Detail.

Besser als Brennholz

In Sebersdorf, nur wenige Kilometer von der Südautobahn entfernt, führt Brigitte Kottulinsky neben dem ohnehin arbeitsintensiven und gefragten Renaissancehotel Obermayerhofen den sogenannten Gaisrieglhof. Das Bauernhaus wurde, auch hier verrät es die Gravur im Gebälk, 1786 errichtet und hat bereits eine 35 Kilometer lange Sattelschleppertour aus Pöllau hinter sich. "Fragen Sie mich lieber nicht, wie viel wir in dieses Projekt investiert haben, daran will ich gar nicht denken", sagt Kottulinsky. "Aber ich konnte gar nicht anders. Ein Bauer wollte den Troadkasten schon zu Brennholz verscherbeln. Ich musste mich dessen einfach annehmen."

Das Resultat dieser örtlich und budgetär herausfordernden Bemühungen ist ein jahrhundertealtes, speckiges, abgegriffenes Bauernstubenambiente fernab von glänzendem Marmor und festlich drapierten Schlosshotelservietten. Die Fenster sind winzig, der Boden ist traditionsgemäß mit Bienenwachs behandelt, und im Erdgeschoß steht ein alter, gekachelter Pfeiferlofen aus dem Salzkammergut. "Wir möchten nichts behübschen, wir wollen einfach nur darstellen, wie die Menschen vor 200, 300 Jahren gewohnt und gearbeitet haben", sagt Kottulinsky, die unentwegt auf der Suche nach alten, patinierten Holzbrettern ist, um hie und da noch Reparaturen vornehmen zu können. Öffnet die Pforte ins Gemach: "Und passen Sie ja auf Ihren Kopf auf! Die Türen sind echt niedrig hier." (Wojciech Czaja, Album, DER STANDARD, 5.10.2013)