Bonn - Bei Verdacht auf eine angeborene genetische Erkrankung des Kindes können werdende Mütter eine Fruchtwasseruntersuchung - eine sogenannte Amniozentese - vornehmen lassen. Doch mit dem Eingriff sind auch Risiken verbunden: Bei ein bis zwei von 200 Schwangeren kommt es in Folge der Punktion, bei der die Ärzte mit einer dünnen Nadel die Bauchdecke durchstechen, zu einer Fehlgeburt. Eine begleitende Ultraschallkontrolle senkt dieses Risiko, erklären Mediziner der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM). 

"Wenn erfahrene Untersucher die Amniozentese konsequent unter Ultraschallkontrolle durchführen und dabei auch die mütterlichen Risikofaktoren beachten, kann die Abortrate bis auf 0,2 Prozent gesenkt werden", ist Ulrich Gembruch von der Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin am Universitätsklinikum Bonn überzeugt. Demnach wäre nur noch eins von 500 Kindern der Gefahr einer Fehlgeburt ausgesetzt. 

Gemeinsam mit Kollegen der DEGUM-Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe hat Gembruch in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Ultraschall in der Medizin" Empfehlungen zur Durchführung der Untersuchung formuliert. Auch für die sogenannte "Chorionzottenbiopsie", einer Gewebeentnahme aus dem Mutterkuchen, haben die Mediziner Qualitätsstandards entwickelt.

Ärztliche Kompetenz und Risikoprofil der Mutter

Beide Methoden sind heute fester Bestandteil der vorgeburtlichen Diagnostik. Ärzte empfehlen sie unter anderem bei Auffälligkeiten des Ultraschallbefundes oder bei einem erblich bedingten Risiko für genetische Erkrankungen. Bei der Amniozentese sticht der Arzt mit einer Hohlnadel durch die Bauchwand und die Muskelschicht der Gebärmutter bis in die Fruchtblase, die den Fetus umgibt. Er entnimmt Fruchtwasser, welches abgelöste Zellen des Ungeborenen enthält. Im Labor können diese auf mögliche Chromosomenstörungen, wie zum Beispiel Trisomien, untersucht werden. Auch bei der Chorionzottenbiopsie entnehmen Ärzte kindliche Zellen aus dem Mutterleib, in diesem Fall aus einem Teil des Mutterkuchens. "Nehmen Ärzte den Eingriff unter Ultraschallkontrolle vor, sinkt das Verletzungsrisiko für das Kind", erklärt Gembruch.

Entscheidend sei zudem der Zeitpunkt der Untersuchung: Demnach sollte die Chorionzottenbiopsie nicht vor der elften, die Amniozentese erst ab der 16. Schwangerschaftswoche vorgenommen werden. "Zu einem früheren Zeitpunkt ist die Amniozentese mit einer wesentlich höheren Rate an Aborten verbunden, und es kommt häufiger zur Bildung von Klumpfüßen", erklärt Gembruch. Die DEGUM-Experten empfehlen, zuerst die genaue Schwangerschaftswoche durch eine Ultraschalluntersuchung festzustellen. Der Arzt sollte dabei zugleich auch die Lage des Mutterkuchens und die Fruchtwassermenge ermitteln und so die geeignete Einstichstelle festlegen, so der Experte. 

Neben den ärztlichen Fähigkeiten hängt das Komplikationsrisiko auch vom Risikoprofil der Mutter ab. So haben stark übergewichtige Frauen oder Raucherinnen - mit einem Konsum von mehr als zehn Zigaretten täglich - ein erhöhtes Fehlgeburtsrisiko. Auch eine hohe Anzahl vorhergehender Geburten oder Fehlgeburten kann die Gefahr erhöhen. Einen besonderen Stellenwert sollte die Beratung im Vorfeld der Untersuchung einnehmen, betont die DEGUM. "Die Eltern müssen über die Möglichkeiten und Grenzen des Eingriffs Bescheid wissen und über die Risiken, die damit verbunden sind", so Gembruch abschließend. (red, derStandard.at, 30.10.2013)