Berlin/Wien – In Deutschland haben sich Union und SPD auf ein "Paket für bezahlbares Bauen und Wohnen geeinigt". Damit soll der rapide Anstieg der Wohnungsmieten in Deutschland gestoppt werden. In Großstädten war bei einem Mieterwechsel eine Verdoppelung der Miete nicht unüblich – ohne davor eine Investition getätigt zu haben. Die Details haben es in sich:

Eingriff in laufende Verträge

Die Unterhändler der beiden Parteien verständigten sich darauf, dass Bestandsmieten in angespannten Wohnungsmärkten nun nur noch um maximal 15 Prozent in vier Jahren angehoben werden dürfen, bisher waren es drei Jahre. Das gelte auch bei laufenden Verträgen. Allerdings ist der Neubau davon ausgenommen. Bei Wiedervermietungen kann der Eigentümer maximal zehn Prozent mehr als ortsüblich verlangen. Ärmere, die nur knapp über den Hartz-IV-Sätzen verdienen, sollen zudem wieder einen Heizkostenzuschuss bekommen können, sagte der SPD-Verhandlungsführer Florian Pronold. Dies werde jährlich etwa 250 Millionen Euro kosten. Deutlich aufgestockt werden soll das Programm "Soziale Stadt", mit dem Problembezirke gesondert gefördert werden. Zudem soll die Umlage der Modernisierungskosten zur Wärmedämmung auf Mieter begrenzt werden.

Die Gebühren für die Vermittlung einer Wohnung, die Maklerkosten also, soll künftig in den meisten Fällen allein der Vermieter tragen: "Wer bestellt, muss auch zahlen", wird festgehalten.

Schnellere Abschreibung

Bauherren, die neue Mietwohnungen in Städten mit hohen Mieten bauen, sollen ihre Investition schneller abschreiben können. Bisher können sie jedes Jahr gleichbleibende Beträge abschreiben – die Kosten werden gleichmäßig auf die Nutzungsdauer aufgeteilt. Nach dem Willen von Union und SPD soll künftig eine anfangs höhere steuerliche Abschreibung möglich sein, die dann abnimmt. Diese degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) war 2008 abgeschafft worden. Wenn Vermieter Wohnungen sanieren, dürfen sie derzeit elf Prozent der wohnwertverbessernden Maßnahmen auf die Miete umlegen. Das soll auf zehn Prozent begrenzt werden.

250.000 neue Wohnungen pro Jahr – "das ist, wo wir hinwollen", sagte der für Bau zuständige Minister Peter Ramsauer (CSU). Die Ausgaben aller Arbeitsgruppen stehen unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit, die von Haushaltsexperten der Parteien noch gesondert geprüft werden. Die Länder sollen im Einzelfall entscheiden dürfen, wo und wie die Schutzmaßnahmen für Mieter gelten sollen.

Verfassungsbeschwerde

Haus-&-Grund-Präsident Rolf Kornemann sprach von einem "Paket groben Unfugs". Es sei sozial- und wohnungspolitisch "das absolut Falsche". Umgehend kündigte er an, dass der Verband eine Verfassungsbeschwerde gegen die Mietpreisbremse prüfen werde. Haus & Grund geißelte dabei sowohl die künftig eingeschränkten Möglichkeiten zur Mieterhöhung als auch die begrenzteren Möglichkeiten, Mieter an den Kosten energetischer Modernisierungen zu beteiligen.

"Es hätte schlimmer kommen können", sagte Andreas Mattner, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland, zu den Koalitionsplänen im "Berliner Tagesspiegel". Erleichtert ist die Branche vor allem darüber, dass jedenfalls für den Neubau nun wohl doch keine Mietenbremse kommt: "Das ist ein wichtiges Signal, denn nur dann wird in Deutschland weiter gebaut." Die Miete einer Wohnung, die nach der Fertigstellung für 14 Euro je Quadratmeter im Monat vermietet wird, muss also beim Auszug des Erstmieters nicht wieder auf das ortsübliche Niveau plus zehn Prozent gesenkt werden.

Freudensprünge

Der auf Immobilien und Mietrecht spezialisierte Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Michael Auer, hätte nichts dagegen, wenn es auch in Österreich zu ähnlichen Regeln kämen. "Wenn ich bei jeder Neuvermietung alle vier Jahre 15 Prozent draufschlagen kann, würde ich vor Freude springen", sagte er im Gespräch mit derStandard.at. Die Mietsituation in Deutschland sei aber mit der in Österreich nicht vergleichbar. „Wir haben Vierfachgrenzen: das Mietrechtgesetz, das Richtwertsystem, das Wohnbaufördergesetz und im ABGB die Wuchergrenze", betonte Auer. Dazu kommt, dass in Österreich die Betriebskosten jährlich erhöht werden.

In Deutschland gibt es hingegen eine Diskussion über die Erhöhung der Betriebskosten. „Bei uns diskutiert man eine Erhöhung der Grundsteuer. Ich möchte eine Deckelung der Grundsteuer", argumentiert Auer.

Dazu komme, dass der größte Hauseigentümer Österreichs, die Stadt Wien, für ihre Mietzinseinnahmen überhaupt keine Einkommenssteuer zahle. Jeder andere Immobilieneigentümer muss je nach Einkommen bis zu 50 Prozent Einkommenssteuer bezahlen.

In Deutschland gebe es einen nahezu freien Wohnungsmarkt, wo v.a. bei Neuvermietungen die Preise angehoben werden können. „Wenn wir das in Österreich hätten, wäre ich glücklich", so Auer. Die Einführung der Mietendeckelung den einzelnen Bundesländern zu überlassen, hält der Experte für keine gute Idee. Statt gedeckelten Mieten plädiert Auer für eine Liberalisierung. In Berlin sei dies etwa auf den starken Zuzug zurückzuführen. Aber verglichen mit London und Paris seien die Preise in München noch moderat. (Claudia Ruff, derStandard.at, 6.11.2013)