Genderberater Emanuel Danesch: "Mädchen sind daran gewöhnt, dass sich ihre Identitäten verändern. Jungs nicht."

Foto: Katsey

"Es war eher ein Zufall", sagt Emanuel Danesch selbst, denn eigentlich ist der heute 37-Jährige nur für jemanden eingesprungen und hat seinem langjährigen Freund Philipp Leeb beim Workshop ausgeholfen. Das war 2007 und hat dem Dokumentarfilmer - "der ich immer noch bin" - sofort so viel Spaß gemacht, dass er ein Jahr später zum Gründungsteam von Poika zählte. Seit fünf Jahren versucht der Verein für Jungs eine Lücke in den Bereichen zu schließen, in denen Mädchen schon seit 15 Jahren ganz gut gefördert werden.

Genderschulung

Poika macht sogenannte "gendersensible Bubenarbeit". Der Bedarf ist groß. "Frauen und Mädchen", erklärt Danesch, "sind daran gewöhnt, dass sich ihre Identitäten in Veränderung befinden." Sie bekommen von Eltern und Pädagogen Unterstützung beim Loslösen von traditionellen Frauenrollen. Jungs nicht, die Emanzipation von überholten Männerrollen steht erst am Anfang. Für die Gesellschaft wäre es aber wichtig, dass auch die Jungs mitkommen und auch für sie solche neuen Räume geschaffen werden. Dafür sorgt Poika - und wird immer öfter von Schulen und Bildungseinrichtungen für Workshops angefragt. Diese Workshops können, so Danesch, unterschiedlich angelegt sein, je nach Alters- oder Zielgruppe. Denn das Poika-Team arbeitet nicht nur mit Kindern oder Jugendlichen (mehrheitlich Jungs), sondern auch mit Erwachsenen. Zum Beispiel mit Lehrern einer Berufsschule, die eine Genderschulung bekommen. "Zunächst keine einfache Sache!", weiß Danesch mittlerweile aus Erfahrung. Umso schöner, wenn am zweiten Workshop-Tag dann Männer am Boden sich gegenseitig ihre Rücken massieren.

Puppenmutter, Puppenvater

Mit den Kleineren arbeitet Danesch gerne mit Puppenhaus-Spielen. Eine tolle Methode, um vieles aufzuzeigen. Wenn etwa eine Puppenmutter dies und ein Puppenvater jenes macht. "Was wäre", fragt Danesch dann, "wenn man die einmal austauscht?" Oft besteht seine Arbeit nur darin, Denkanstöße zu geben und darauf zu schauen, dass auch die Schwächeren einer Gruppe zu Wort kommen.

Die Themen sind anlass- und altersbedingt breit gestreut: Sie reichen von Mobbing, männlichen Rollenbilder und der Frage, ob Jungs auch stricken lernen sollen, bis zu Männerkarenz und der damit einhergehenden Gehaltsschere, die sich zwischen den Geschlechtern auftut; vom Umgang mit dem Internet und sozialen Medien bis zu Sexualität und Pornografie - bei Buben im Genderunterricht natürlich ein wichtiges Thema. "Wichtig ist, einen guten Einstieg zu finden", sagt Danesch, der sich seit kurzem offiziell Gender- und Diversityberater nennen darf.

Eineinhalb Jahre lang hat er die "Bubenzeit" an der WUK-Schule im 9. Wiener Gemeindebezirk für die Fünf- bis Zehnjährigen mitgestaltet und weiß daher, wie anspruchsvoll das Arbeiten mit Kindern im Volksschulalter ist - will man seine Sache gut machen. Warum ausgerechnet dieses Segment das, wie er sagt, "abgewertetste" im ganzen pädagogischen Kontext ist, will dem Genderberater nicht wirklich einleuchten - "hier wird prägend an der Entwicklung und Zukunft junger Menschen gearbeitet".

Einfach Denkanstöße geben

"Ich habe ein gutes Gerechtigkeitsempfinden", sagt Danesch über sich selbst. Als Einzelkind einer alleinerziehenden Mutter musste er auch früh selbstständig sein. Das alles hilft ihm auch bei der Arbeit mit Migranten. Erst vor kurzem hat er mit Burschen, die gerade ihren Hauptschulabschluss nachmachen und fast zu 100 Prozent Migrationshintergrund haben, einen Kurzfilm gedreht, in dem die alltäglichen Handgreiflichkeiten zwischen den Jugendlichen so verlangsamt dargestellt wurden, dass sie schlussendlich wie Tanzsequenzen ausgeschaut haben. "Das Tolle an meiner Arbeit ist", sagt Danesch, "dass ich so viel von den Jugendlichen lerne!" In letzter Zeit hat er auch an der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet - ein Praktikum für seine Ausbildung zum Psychotherapeuten. Einen solchen therapeutischen Zweig will er bei Poika ausbauen.

Langweilig wird dem 37-Jährigen also nicht. Auch weil er demnächst in Karenz geht, die er ganz gerecht mit seiner Lebensgefährtin aufteilt. Danesch ist nämlich gerade Vater einer kleinen Tochter geworden. Die wird er bald auch in Workshops mitnehmen, um ganz anschaulich vorzuführen, vor welchen Problematiken ansonsten meist Frauen stehen. (Mia Eidlhuber, DER STANDARD, Family, 27.11.2013)