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Regierungssoldaten wurden von der Bevölkerung bejubelt, nachdem sie die M23 aus der Stadt Bunagana vertrieben hatten.  

Foto: AP/Kay

Mit Kobler sprach Julia Raabe.

STANDARD: Sie sind gerade in Goma im Ostkongo. Die Gegend hat unter der vor kurzem besiegten Rebellenbewegung M23 sehr gelitten. Wie ist die Lage dort heute?

Kobler: Die M23 ist militärisch nicht mehr existent. Ich war im gesamten Grenzgebiet, habe es abgeflogen bis hinauf an die ugandische Grenze und habe mich überzeugt, dass wirklich alles ruhig ist. Ich habe glückliche Menschen gesehen. Es gibt ein Gefühl des Optimismus, auch unter der Bevölkerung.

STANDARD: Die geplante Unterzeichnung eines Friedensabkommen zwischen M23 und der kongolesischen Regierung ist in dieser Woche geplatzt.

Kobler: Wir haben das natürlich sehr bedauert. Das Übereinkommen – Amnestieregelungen, Re­integration – ist nicht obsolet. Die Ex-Kombattanten sind jetzt in Uganda, müssen über kurz oder lang aber wieder in den Kongo integriert werden. Das ist Inhalt dieses Abkommens. Deshalb hoffe ich, dass es weitergeht. Jetzt kommt es darauf an, dass man in den befreiten Gebieten die Staatsautorität wieder herstellt. Es müssen Schulen restauriert, Lehrer entsandt und ein verlässliches Justizwesen eingerichtet werden.

STANDARD: Eine UN-Interventionstruppe hat die Regierungsarmee im Kampf gegen die M23 unterstützt. Hat das den Ausschlag gegeben?

Kobler: Zum ersten Mal in der Geschichte der Uno wird hier eine solche Interventionsbrigade eingesetzt mit dem Mandat, "alle bewaffneten Gruppen im Ostkongo zu neutralisieren" , das heißt auch unter Einsatz militärischer Gewalt. Das haben wir mit Erfolg gemacht, und es hat mitgeholfen, dass die Kämpfe zu Ende gingen. Unsere rote Linie ist der Schutz der Zivilbevölkerung. Da soll sich niemand täuschen: Dieses Mandat nehmen wir sehr ernst. Wir verfolgen immer zuerst den Weg des Friedens. Wenn das nicht geht, schrecken wir auch vor militärischer Gewalt nicht zurück. Die bewaffneten Gruppen, die den Ostkongo immer noch besetzt halten, wissen das.

STANDARD: Das heißt also, jede dieser rund 50 Rebellengruppen muss damit rechnen, dass die UN militärisch gegen sie vorgeht?

Kobler: In der Tat. Bisher waren ja unsere Truppen inmitten der von Rebellengruppen dominierten Gebiete stationiert. Wir haben sie nicht angegriffen, sie haben uns nicht angegriffen, und wir haben versucht, im Rahmen des Möglichen der Zivilbevölkerung zu helfen. Ich glaube, das geht jetzt nicht mehr. Wir haben eine 3000 Mann starke Interventionstruppe und weitere 16.000 UN-Truppen im Lande. Es ist jetzt wirklich an der Zeit, Kongo zu helfen. Wir hören jeden Tag, wie die Rebellen die Bevölkerung terrorisieren – das ist nicht akzeptabel.

STANDARD: Wird das veränderte Vorgehen von der Bevölkerung wahrgenommen?

Kobler: Als ich zum ersten Mal in Goma war, wurde mein Auto mit Steinen beworfen. Jetzt kann ich dort überall herumgehen und werde freudig begrüßt.

STANDARD: Eine Forderung der Vereinten Nationen an die Regierung war auch die strikte Ahndung
von Vergewaltigungen durch Re­gierungs­sol­daten. Hat das inzwischen etwas bewirkt?

Kobler: Ich glaube, ja. Wir haben keine Berichte, dass bei den gegenwärtigen Kämpfen Menschenrechtsverletzungen durch die kongolesische Armee vorgekommen sind. Wir als Monusco (UN-Mission im Kongo, Anm.) arbeiten nur mit Truppenteilen der kongolesischen Armee zusammen, die wir vorher geprüft haben und von denen wir wissen, dass sie sich keine Menschenrechtsverletzungen zuschulden kommen lassen haben. Es kann nie ausgeschlossen werden, dass etwas passiert. Aber der Wille, das zu begrenzen, ist da. Und bei den Rebellengruppen ist unsere Meinung ganz klar: Amnestie kann vonseiten der Regierung für Akte der Rebellion gewährt werden, aber niemals für Vergewaltigungen, Rekrutierung von Kindersoldaten, grobe Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Genozid. Das darf niemals pas­sieren! (DER STANDARD, 15.11.2013)