Der virtuose Musiker Richard Galliano.

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Seit 40 Jahren arbeitet er mit demselben Instrument, einer Victoria aus Italien. Seit Jahrzehnten - das lässt sich daraus schließen - ist der französische Akkordeonist Richard Galliano also aktiv. Er hat mit Sängerin Juliette Gréco und auch mit Charles Aznavour zusammengearbeitet. Er kann aber auch im Jazz mit Begegnungen der Sonderklasse aufwarten: Es waren Bassist Ron Carter, Trompeter Chet Baker, Saxofonist Jan Garbarek und Pianist Michel Petrucciani seine Partner. Er erneuerte zudem die Form der französischen Musette, nachdem ihn Freund und Tango-Innovator Astor Piazzolla ermunternd ermahnt hatte, nicht nach Übersee zu schielen: "Pass auf, dass du dich nicht zu sehr dem amerikanischen Jazz annäherst!", habe er zu ihm gesagt, so Galliano. Allerdings ist Galliano (1950 in Le Cannet bei Cannes geboren) als Virtuose mit musikantisch offener Gesinnung auch der Klassik nicht abhold. Er schwärmt, dass auch Johann Sebastian Bachs Kunst der Fuge "auf dem Akkordeon fantastisch klingt." Wenn er allein seine Übungsstunden absolviere, sei Bach immer dabei.

So wundert es nur auf den ersten Blick, dass man bei der Deutschen Grammophon auf die Idee kam, Galliano (der 2010 auch Bach-Werke aufgenommen hat) mit Antonio Vivaldis Vier Jahreszeiten zusammenzubringen, diesen Violinkonzerten, die in einer Unmenge an Einspielungen existieren. Galliano hat Dutzende Aufnahmen studiert, verinnerlicht, wieder vergessen - und herausgekommen ist eine Aufnahme, die vor allem in den sanften, malerischen Passagen überzeugt. Galliano sagt es selbst: "Die poetische Dimension ist tief in mir verankert. Egal, was ich spiele - sie dringt an die Oberfläche."

Im Adagio des dritten, herbstlichen Konzertes ist es etwa zu studieren: Eine natürlich vibratolose Traurigkeit wird hier verbreitet, den Barockinterpretationen historisch informierter Musiker nicht unähnlich. Die Rasanz des stürmischen sommerlichen Teils des zweiten Konzerts ist allerdings vor allem beim "begleitenden" Streichquartett gut aufgehoben. Richard Galliano klingt da (die Grenzen des Instruments eben) nur solide. Dennoch ein interessanter Versuch in einem Bereich, der interpretatorisch ziemlich durchstudiert wirkt.

Vielleicht wird sich Akkordeonkollege Vincent Peirani (1980 in Nizza geboren) irgendwann in die Klassik vertiefen. Auf Thrill Box ist er vorerst einmal im Trio (Michael Wollny, Klavier; Michel Benita, Bass) in jazzigen Gefilden unterwegs. Allerdings: Auch er ist ein Poetiker, fast noch mehr als Galliano. Jedenfalls legt er hier viel Wert auf schwebende Flächen, was seiner Musik ein eigenes Gepräge abseits des Klischeehaften vermittelt. Improvisieren kann er allerdings auch. Bemerkenswert. (Ljubiša Tošic, Rondo, DER STANDARD, 15.11.2013)