Der Beethovenfries in der Secession, den Rechtsnachfolger von Erich Lederer nun zurückfordern, gilt als eines der zentralen Werke Gustav Klimts. Der Bilderzyklus entstand 1902 für ein Ausstellungsprojekt von Josef Hoffmann rund um eine Beethovenskulptur von Max Klinger. Zu sehen gab es damals aber noch einen zweiten Fries. Er hieß nach Beethovens neunter Symphonie Freude schöner Götterfunken. Von diesem Fries spricht heute niemand mehr. Und auch der Name des Künstlers ist den meisten Menschen kein Begriff. Obwohl Josef Maria Auchentaller (1865-1949) hinter Klimt der zweite Mann in der Secession war.

Später geriet Auchentaller, der sich auch als Grafiker und Innenausstatter einen Namen gemacht hatte, in Vergessenheit. Denn seine kränkliche Tochter Maria Josepha brauchte Seeluft, und so zog der Maler mit der Familie nach Grado. Emma, seine Frau, errichtete dort eines der ersten Hotels, die Pension Fortino, und trug damit entscheidend zum touristischen Aufschwung des Ortes bei. Auchentaller entwarf nicht nur das Hotellogo, drei verschlungene Ringe auf einem Quadrat, sondern auch ein sehr bekanntes Plakat: Seebad Grado. Österreichisches Küstenland spiegelte das Lebensgefühl des Jugendstils wider.

2009 erfuhr der Schriftsteller Egyd Gstättner, wer die Reklame, auf die er in Grado gestoßen war, gemalt hatte. Denn er sah im Leopold-Museum die Ausstellung Jugendstil pur!, die den Maler und Grafiker zurück ins kollektive Gedächtnis zu rufen versuchte. Die Person Auchentaller begann den Autor, der eine Vorliebe für Biografien hegt, zu faszinieren: Gstättner recherchierte - und verdichtete das beinahe paradigmatische Leben schließlich zu einem "Künstlerroman", der ein gelungener Kommentar auf die Umbrüche in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist: Das Geisterschiff ist eine Abfolge von Mehrjahresberichten, in denen der Ich-Erzähler, Auchentaller selbst, die Vergangenheit reflektiert. Um eine Sicht von außen zu ermöglichen, lässt Gstättner zwischendurch auch andere Personen zu Wort kommen. So hellt sich nachträglich manches auf, was Auchentaller verschweigt.

Den historischen Fakten fühlte sich Gstättner natürlich beim Schreiben verpflichtet; doch es galt, viele Leerstellen zu füllen. Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, verwendet er daher eine heutige Sprache: "Aber anyway", schreibt sein Held einmal, und etwas später: "Auchentaller only!" Der Maler muss nach seinem Aufstieg immer wieder und immer öfter konstatieren, den Anschluss an die Szene in Wien verloren zu haben. Er versucht, trotz mehrerer Schicksalschläge, einen heiteren Ton beizubehalten. Doch nach und nach sterben seine Weggefährten, darunter Klimt, Schiele, Schnitzler: Übrig bleibt nur er. Im längst geschlossenen Hotel, einst ein stolzes Schiff, haust er schließlich - als Geist. Seine Geschichte berührt richtiggehend.

Als Motto für die Berichte wählte Auchentaller bzw. sein "Ghostwriter" Gstättner jeweils ein Bild, darunter Die tönenden Glocken oder Grado. Regate nazionali. Als Leser hätte man diese Werke sehr gerne abgebildet gesehen. Die Erben erteilten aber keine Abdruckgenehmigung, weil Gstättner auch Abgründe zur Sprache bringt. Ziemlich schade. (Thomas Trenkler, Album, DER STANDARD, 7./8.12.2013)