Das Landesgericht Klagenfurt muss entscheiden, ob einem Asylwerber, der sich im Hungerstreik befand, durch eine Zwangsbehandlung mittels Fixierung schwerer gesundheitlicher Schaden entstand.

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Klagenfurt - Asylwerber David S. sitzt etwas verloren vor dem Verhandlungssaal 209 im Landesgericht Klagenfurt. Fragt schüchtern, ob er hier wohl richtig sei. Er hat die Republik, vertreten durch die Finanzprokuratur und die Kärntner Landesspitäler (Kabeg) verklagt. Auf Schadenersatz.

Der damalige Schubhäftling soll im März 2010 in der Psychiatrischen Abteilung des Klinikums Klagenfurt wegen eines Hungerstreiks zwangsbehandelt und so stark fixiert worden sein, dass er eine Becken- und Beinvenenthrombose erlitten habe. An den Folgen leidet er noch heute. Er muss lebenslang Blutverdünner nehmen, damit er keine tödliche Lungenembolie bekommt, und leidet deswegen an Depressionen, so sein Hausarzt Hans-Joachim Fuchs, der per Video vor dem Zivilgericht aussagte.

David S. wird den 16. März 2010 und die folgenden Wochen wohl nie vergessen. Präzise schildert er vor Einzelrichter Gunther Schmoliner wie er aus dem Polizeianhaltezentrum (PAZ) Klagenfurt zunächst in die Notfallaufnahme des Klinikums Klagenfurt und danach in die Psychiatrie transportiert wurde. Die ihn begleitenden Polizisten hätten auf stationäre Aufnahme bestanden, weil er bereits gesundheitlich schwer angeschlagen gewesen war.

Weil er eine Infusion verweigerte, wurde er nach dem Unterbringungsgesetz auf die Psychiatrische Abteilung gebracht. "Auf einmal sind vier oder fünf Pfleger ins Zimmer gerannt und haben mich gepackt und so fest am Bett festgebunden, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte", schildert David S. Dann habe er noch einen Stich gespürt und sei eingeschlafen. Tags darauf seien beide Beine massiv angeschwollen gewesen und hätten furchtbar geschmerzt. Doch auf seine Bitten habe man tagelang nicht reagiert.

Formen der Fixierung

Der Leiter der Klagenfurter Psychiatrie, Primarius Herwig Oberlerchner, betont vor dem Gericht, dass die Fixierung nach standardisierten Vorschriften durchgeführt, immer wieder gelöst und der Patient zwischendurch mobilisiert worden sei. Zur Demonstration erklärt er dem Richter, wie Patienten fixiert werden.

Dabei gäbe es eine "Fünfpunkt"- oder eine "Dreipunkt"-Fixierung. Erstere bedeute, dass die Patienten am Bauch und diagonal an Händen und Beinen gebunden würden, Zweitere, dass neben dem Bauchgurt nur eine Hand und ein Bein diagonal fixiert würden. Bei David S. sei zunächst "Fünfpunkt"- und dann nur mehr "Dreipunkt"-fixiert worden. Die Gurten seien ausreichend locker gewesen. Eine Unterbrechung des venösen Blutflusses habe es daher niemals geben können.

Das bestätigt auch die behandelnde Oberärztin. Wieso David S. nicht früher genauer untersucht und erst am 23. 3. die Thrombose-Diagnose gestellt werden konnte, kann sie nicht beantworten. Auch bei der Begutachtung nach dem Unterbringungsgesetz wurde nicht nach Ausschließungsgründen für eine Fixierung gefragt. Die Dehydrierung des Patienten sei kein Risiko gewesen, da er durch die Infusion genug Flüssigkeit erhalten habe. Im Zuge der Untersuchungen sei eine Thrombose begünstigende Deformation des Venensystems von David S. festgestellt worden, von der man davor nichts gewusst habe. Der Prozess wird fortgesetzt. (Elisabeth Steiner, DER STANDARD, 13.12.2013)