Wien - Noten geben oft nicht die Leistungen der Schüler wieder. Das zeigt eine Studie, die in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift "Erziehung und Unterricht" untersucht wurde. Dabei wurden 334 Schüler der zweiten Klassen aus 25 burgenländischen Volksschulen und zwei Übungsvolksschulen der Pädagogischer Hochschulen (PH) getestet. Mit zum Teil erstaunlichen Ergebnissen: Schüler, die in "Deutsch, Lesen, Schreiben" einen Einser im Semesterzeugnis hatten, verfügten beim Test über die unterschiedlichsten Kompetenzen: 17 Prozent der "Sehr Gut"-Schüler machten im Rechtschreibtest keinen Fehler, praktisch gleich viele aber gleich sechs Fehler oder mehr.

Gleiches galt beim Lesetest: Ein Viertel der Einser-Schüler hatte sechs oder mehr Lesefehler, der gleiche Anteil null oder einen. Und: Während 24 Prozent der Schüler mit der höchsten Fehleranzahl (sechs oder mehr) mit der Note "Sehr Gut" beurteilt wurden, wurden die Leistungen von acht Prozent der Schüler mit null oder einem Lesefehler nur mit "Befriedigend" oder "Genügend" bewertet - "ein weiterer Beleg, dass sich hinter der gleichen Ziffernnote höchst unterschiedliche Leistungen mit objektiv gemessenen Instrumentarien verbergen", schreibt Studienautor Fritz Knast in seinem Beitrag.

"Der Tatbestand des geringen Zusammenhangs zwischen den objektiv erfassten Lernleistungen der Schüler und ihren Noten - die mangelnde Aussagekraft der Noten - ist aus großflächigen Untersuchungen in ganz Österreich bekannt", schreibt der Lehrer, Soziologe und Humanwissenschafter Kast. Für seine eigene Arbeit untersuchte er, in welchem Ausmaß extern gemessene Lese- und Rechtschreibleistungen von Volksschulkindern nach drei Semestern Unterricht zwischen verschiedenen Klassen bzw. Schulen variieren.

Leistungen variieren stark

In einem weiteren Schritt ermittelte Kast "Wechselkurse" zwischen Leistung und Noten. Dafür wurden Rechtschreib- bzw. Leseleistungen und Noten der verschiedenen Schulen miteinander verglichen. So machten die Einser-Schüler einer bestimmten Volksschule im Schnitt 0,7 Fehler beim Rechtschreibtest, an einer anderen aber 6,7 Fehler. Für ein "Gut" variierten die Mittelwerte zwischen 2,5 und 10,8 Fehlern, für einen Dreier oder Vierer zwischen drei und 14 Fehlern.

Einen ähnlichen Befund erhob der Professor an der Kirchlichen PH Wien/Krems, Rudolf Beer, bei einer Untersuchung der Mathe-Leistungen an niederösterreichischen Hauptschulen mit 165 Schülern am Ende der siebenten Schulstufe. Auch hier wurden die Zeugnisnoten der Schüler mit den Ergebnissen eines Leistungstest verglichen. Er kam unter anderem zum Schluss, dass "die Vergleichbarkeit von Leistungen in den einzelnen Leistungsgruppen über den Standort hinaus wenig Aussagekraft besitzt". Die Einteilung von Schülern zu den Leistungsgruppen sei "nur bedingt auf ihre tatsächlichen Leistungen zurückzuführen".

Lehrer orientieren sich an Niveau der Klasse

In der Studie ähnelten etwa die Test-Ergebnisse der ersten Leistungsgruppe der Hauptschule B den Ergebnissen der zweiten Leistungsgruppe der Hauptschule A. "Offensichtlich orientieren sich die Lehrer bei der Notengebung und dadurch auch bei der Bildung der Leistungsgruppen am jeweiligen Niveau der Klasse."

Kast hält ein "Lehrer-Bashing" allerdings für unangebracht. Diese würden im Rahmen ihrer Aus- bzw. Fortbildung "keine Kompetenzen zur validen Konkretisierung und Einschränkung der weiten Interpretationsspielräume der abstrakten Lehrplanvorgaben erwerben". (APA, 2.1.2014)