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Die Angst vor der zahnärztlichen Spritze entspricht nicht der klassischen Spritzenphobie.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Graz/Wien - Im Zahnarztstuhl sitzen, den Mund weit offen halten, während der Bohrer in höchsten Tönen summt. Dieses Szenario ist für wenige Menschen angenehm, für Zahnbehandlungsphobiker bedeutet es den schlimmsten Albtraum. Die Panik vor dem Bohrer gleicht der krankhaften Angst vor Spinnen und nicht wie bisher angenommen ein Blut-, Verletzungs- oder Spritzenphobie, haben Grazer Forscher in einem kürzlich abgeschlossenen Projekt herausgefunden.

Die Wissenschaftler präsentierten Patienten mit panischer Angst vor Zahnbehandlungen und solchen, die beim Betreten der Praxis völlig cool bleiben, verschiedene Bilder. Darauf waren Zahnärzte und deren Bohrer aus der Selbst-Perspektive, die Mündung einer Pistole, ekelige Motive wie Maden sowie neutrale Dinge wie Tassen und Bügeleisen zu sehen. Ermittelt wurden die Gehirnströme der Versuchspersonen, der Puls und mimische Veränderungen.

Neuer therapeutischer Ansatz

Zahnbehandlungsphobiker hatten durch die erhöhte Angst und Aufmerksamkeit einen schnelleren Puls und veränderte Gehirnströme. "Wir beobachteten, dass bei den Phobikern der Gehirnbereich aktiver war, in dem optische Reize verarbeitet werden, sie starrten also viel intensiver und aufmerksamer auf die Bilder", sagt Anne Schienle vom Institut für Psychologie der Universität Graz. Während diese erste Schreckreaktion kaum vermeidbar sei, könne man therapeutisch beim Umgang mit der Furcht ansetzen.

"Unsere Studien zeigen, dass Frauen und Männer intuitiv eine andere Herangehensweise haben", so Schienle. Während Männer versuchen, ihre Aufmerksamkeit nach außen zu richten, um die Situation kontrollierbarer zu machen, würden Frauen eher in sich gehen und sich um die Schmerzen sorgen. Außerdem zeigte sich bei den weiblichen Patienten eine höher Anspannung des Musculus levator labii superior, Gesichtsmuskel der für die Anhebung der Oberlippe zuständig ist und einen Ausdruck von Ekel vermittelt. "Dies spricht für eine größere emotionale Ausdrucksfülle der Frauen", sagen die Forscher.

Klassifikation hinterfragen

Insgesamt ähnelt dieses Reaktionsprofil der Tier-Phobie, passt jedoch nicht zum Blut-Verletzungs-Spritzen-Typ, wo die Psychologen die Zahnbehandlungsphobien aktuell einordnen. Man sollte die gängige Klassifikation des Syndroms also "kritisch hinterfragen", meinen die Wissenschaftler.

"In der Behandlung von Tierphobien hat man schon ein gutes Repertoire an Therapien, das man nun auch bei Zahnbehandlungsphobikern einsetzen kann", so Schienle. Mit Entspannungstechniken ausgerüstet oder durch Hypnose gestärkt, könnten sie sich etwa zunächst für eine Zahnreinigung in eine Zahnarztpraxis wagen.

Die erhöhte Angst hat auch für die Zähne Folgen - führt sie doch dazu, dass Betroffene einen weiten Bogen um Zahnärzte machen und die nächste Zahnbehandlung vermutlich tatsächlich zu keiner schmerzlose Angelegenheit wird. (red/APA, derStandard.at, 3.1.2014)