Walter Schachermayer: "Ein scharfer Wind weht."

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Die Auswirkungen der Zusammenlegung der Agenden des Wirtschafts- und des Wissenschaftsministeriums auf die Wissenschaftsförderung wurden an dieser Stelle von Hendrik Ankersmit und Franz Hahn kommentiert. Beide Autoren argumentieren ausdrücklich auf der Basis ihrer persönlichen Betroffenheit: In beiden Fällen wurden ihre Förderanträge durch den FWF abgelehnt.

Der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) ist die wichtigste Schiene zur Finanzierung der Grundlagenforschung in Österreich. Die Entscheidung über Förderungen erfolgt ausschließlich auf Basis internationaler Gutachten und ist damit erfolgreich dem lokalen Kräfte-Parallelogramm politischer Einflussnahme entzogen.

Wenn in den vergangenen zwanzig Jahren die österreichische Wissenschaftslandschaft in einer Reihe von Disziplinen zur internationalen Spitze aufrücken und damit zumindest ansatzweise an das hohe Niveau vor 1938 anschließen konnte, so ist das zu einem guten Teil dem Wirken des FWF zu danken. Die Aufgabe des FWF besteht darin, nach rein wissenschaftlichen Kriterien die Spreu vom Weizen zu trennen. Die Finanzierung der Universitäten wird damit durch einen kompetitiven Prozess ergänzt. Dass hier ein rauer Wind weht und es zu vielen frustrierenden Ablehnungen kommen muss, ist unvermeidlich. Auch im internationalen Vergleich ist das durchaus übliche Praxis.

So weit, so gut. Allerdings: In der jüngsten Vergangenheit ist die Finanzierung des FWF dermaßen prekär geworden, dass die Ablehnungsraten eine skandalöse Höhe erreicht haben, die nichts mehr mit gesundem Wettbewerb zu tun hat.

Die jährlich vergebenen Start-Preise sind ein gutes Beispiel für die katastrophale finanzielle Situation des FWF. Dieser prestigeträchtige Preis für junge Forscher ist mit der Förderung eines großen Forschungsprojekts für die Dauer von sechs Jahren verbunden. Das Start-Programm hat alle Merkmale einer Erfolgsstory. Es hat in den 20 Jahren seines Bestehens etwa 100 jungen Forschern die materielle Basis für beeindruckende Leistungen und erfolgreiche Karrieren geboten. Der österreichische Start-Preis diente auch als Vorbild für die seit sechs Jahren existierende EU-Version eines solchen Preises, die heißbegehrten "starting grants" des European Research Council ERC. Um diese "starting grants" konkurrieren die besten jungen europäischen Forscher.

Dass bei solchen Preisen ein scharfer Wettbewerb herrscht, ist selbstverständlich und im Sinn der Sache. Allerdings darf man auch nicht übertreiben. Leider passiert genau das in Österreich aufgrund der finanziellen Misere des FWF. Inzwischen liegt die Ablehnungsrate für Anträge auf Start-Preise bei über 90 Prozent! Einfach, weil nicht mehr Geld da ist. Die Ablehnungsrate ist damit praktisch gleich hoch wie die der hoch kompetitiven ERC-Förderungen (90,6 bzw. 90,8 Prozent der Anträge auf "starting grants" werden abgelehnt).

Dabei muss man wissen, dass für viele junge Forscher der Gewinn eines Start-Preises oder eines ERC-Grants de facto die einzige Möglichkeit ist, eine unbefristete Stelle an ihrer Universität zu bekommen (manchmal reicht selbst das nicht). Wir setzen damit den wissenschaftlichen Nachwuchs einem überharten Wettbewerb aus, der destruktiven Charakter annimmt. Im Vergleich dazu hatte meine Generation vor dreißig Jahren bessere Rahmenbedingungen für den Beginn einer wissenschaftlichen Karriere.

Nun mag man einwenden, dass es sich beim Start-Preis um ein absolutes High-End-Programm des FWF handelt, bei dem ein extrem scharfer Wettbewerb gerechtfertigt ist. Wie sieht es aber bei "normalen" FWF-Projektanträgen aus? Die traurige Antwort lautet: nicht viel besser. Die Ablehnungsrate ist auch hier inzwischen auf nahezu 80 Prozent geklettert. Hahn beklagt in seinem Kommentar zu Recht, wie frustrierend es ist, wenn ein Antrag trotz positiver Evaluierung mit dem Hinweis auf fehlende Mittel abgelehnt wird. Ihm sei versichert: Für das Kuratorium des FWF ist es eine äußerst unangenehme und schmerzvolle Situation, relativ gut evaluierte Projekte ablehnen zu müssen. Vor wenigen Jahren war die Ablehnungsrate noch bei 65 Prozent. Wenn die heutigen finanziellen Mittel des FWF eine ähnliche Rate erlauben würden, bekäme sein Projekt die verdiente Förderung.

Vom Geld träumen

Ankersmit wiederum berichtet in seinem Text, dass er sich nach wiederholter Ablehnung seiner Anträge durch den FWF an die Christian-Doppler-Gesellschaft (CDG) gewandt hat, was schließlich von Erfolg gekrönt war. Die CDG ist gemeinsam mit der Forschungsförderungs-Gesellschaft (FFG) die wichtigste Förderschiene für industrienahe Forschung. Die FFG verfügt über das etwa 2,5-fache Budget des FWF (483 versus 196 Millionen Euro). Dementsprechend liegen die Annahmeraten in der FFG in einer Höhe, von der der FWF nur träumen kann.

Nun mag man es ganz in Ordnung finden, dass bei der Grundlagenforschung ein schärferer Wind weht als bei derjenigen Forschung, die unmittelbare Anwendungen in Aussicht stellt. Aber wieder gilt der Grundsatz: Man darf nicht übertreiben. Anton Zeilinger hat es sehr treffend auf den Punkt gebracht: Wenn immer nur unmittelbar anwendungsbezogene Forschung betrieben worden wäre, hätten wir heute eine unglaubliche Vielfalt und Raffinesse an Kerzen; aber keine Elektrizität.

Wie wird es weitergehen mit der Finanzierung der Forschung in Österreich? Bisher ressortierte der FWF als einziger der genannten Fonds zum Wissenschaftsministerium. Damit bestand die Hoffnung, dass ein nur der Wissenschaft verpflichteter Minister auf Augenhöhe mit den anderen Regierungskollegen erfolgreich um die knappen Ressourcen kämpfen wird - unter anderem, um für den FWF ein vernünftiges Budget zu sichern. Leider haben sich diese Hoffnungen in der Vergangenheit nur sehr partiell erfüllt, wie die geschilderten Anlassfälle zeigen.

In der neuen Regierung wurden die Agenden bekanntlich zusammengelegt. Auf den ersten Blick lässt dies befürchten, dass nunmehr das Pendel noch stärker in Richtung unmittelbar industrieorientierter Forschung ausschlagen wird. Aber wer weiß? Minister Reinhold Mitterlehner hat in den vergangenen Regierungen wiederholt gezeigt, dass er sein Amt ohne Engstirnigkeit und mit Verständnis auch für andere Positionen ausüben kann.

Vielleicht nimmt er sich tatsächlich - wie angekündigt - ein Beispiel an der Schweiz. Dort werden ebenfalls die Wissenschafts- und Wirtschaftsagenden von demselben Bundesrat wahrgenommen (allerdings bei insgesamt nur sieben Bundesräten). Dort gibt es auch eine Industrie, die größten Wert auf eine gut dotierte Förderung der Grundlagenforschung legt. Dementsprechend hat der Schweizer Nationalfonds das dreifache Budget seines österreichischen Pendants FWF. Für Österreich dürfen wir also weiter hoffen: dass die Stärkung des Wissenschaftsstandorts nicht nur in Sonntagsreden stattfindet, sondern auch zu besserer Dotierung der Grundlagenforschung führt.

Walter Schachermayer (Jahrgang 1950) ist Finanzmathematiker an der Universität Wien. Er erhielt den Wittgensteinpreis sowie einen "advanced grant" des ERC und war Co-Leader in einem Christian-Doppler-Labor. Seit zwei Jahren vertritt er die angewandte Mathematik im Kuratorium des FWF. (Walter Schachermayer, DER STANDARD, 10.1.2014)