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Berühmter Chef? Hochdekoriert in der Firma? Interessiert das Pferd nicht.

 

Foto: APA/Jens Büttner

Erwartungen, Glaubenssätze, hierarchische Hemmungen - all das haben Pferde nicht. Deswegen können sie gut helfen, sich selbst gegenüber wieder achtsam zu werden, das "Bauchgefühl " wieder zu spüren, sagen zwei Coaches, die mit Pferden arbeiten. "Ausprobieren und Spaß dabei haben" ist das Motto, das die aus Deutschland stammende Betriebswirtin Stefanie Egger gemeinsam mit ihrem Mann Thomas ihrer Geschäftsidee, pferdegestütztes Coaching anzubieten, zugrunde gelegt hat. Abgeleitet vom englischen Begriff "Trial and Error" (Versuch und Irrtum) möchten die beiden Trainer, Coaches und Berater ihren Klienten einen Rahmen bieten, in dem Lernen durch "Probieren und Fehlermachen" wieder erlaubt ist.

In der kleinen Ortschaft Ketzelsdorf bei Poysdorf im Weinviertel hat sich das Ehepaar niedergelassen und bietet Teamentwicklungsseminare, Führungskräftetraining sowie Einzelcoaching an. Nun ist pferdegestütztes Coaching an und für sich nichts Neues, bereits seit den 90er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ist diese Methode des Coachings bekannt. Also noch mehr vom Selben oder doch etwas Neues?

Ehrlich und direkt

"Sowohl mein Mann als auch ich waren jahrelang in internationalen Unternehmen tätig, ich im Dienstleistungsbereich, mein Mann als promovierter technischer Chemiker auf dem Gebiet Forschung und Entwicklung, ehe wir uns entschlossen haben, einen neuen Weg einzuschlagen. Wir haben bewusst die Welt des Business hinter uns gelassen, können nun aber Erfahrungen aus beiden Welten verknüpfen."

Der Vorteil in der Arbeit mit Pferden liege darin, dass diese Tiere wesentlich ehrlicher und direkter unser Verhalten spiegeln als jedes menschliche Gegenüber. Das Mensch-zu-Mensch-Verhältnis sei ja immer auch von Glaubenssätzen beeinflusst, so Stefanie Egger. Der Druck, irgendeine Erwartung erfüllen zu müssen, falle mit einem Tier als Gegenüber natürlich weg. Dem Pferd ist es völlig egal, welche Position jemand in einem Unternehmen innehat, es hat keine Erwartungshaltung, die es zu erfüllen gilt, es reagiert lediglich auf das Verhalten und die Präsenz seines Gegenübers.

Es gebe kein "richtig" oder "falsch", keine Bewertung, ausschließlich die Reaktion des Pferdes, die Feedback darüber gibt, wie authentisch der Klient in diesem speziellen Moment ist. Nur wenn jemand authentisch in seiner Rolle ist, sei er auch in der Lage, Führung zu übernehmen und in dieser Funktion von seiner Umgebung auch akzeptiert zu werden.

Um entscheiden zu können

Überdies helfe die nonverbale Kommunikation mit dem Tier, wieder eine gesunde Balance zwischen dem "Kopfdenken und dem Bauchgefühl" herzustellen. Beides sei nötig, um richtige Entscheidungen zu fällen, ist Stefanie Egger überzeugt. In einer Zeit, und viele Studien belegen das, in der immer mehr Menschen unter völliger Überforderung leiden, werde es immer wichtiger, achtsam mit sich selbst umzugehen. Die Natur und die Tiere seien da perfekte Lehrer. Ihre Rolle bei den Seminaren sei es, sagt Egger, einen sicheren Rahmen sowohl für die Teilnehmer als auch für die Pferde zu schaffen, alles beruhe auf der Basis der Freiwilligkeit, das gelte natürlich auch für ihre Pferde. Auch diese hätten manchmal keine Lust zu arbeiten, das müsse man akzeptieren und eben warten, bis sie wieder Bereitschaft signalisieren.

Nun ist es sicher ausgesprochen angenehm, einen Tag oder sogar mehrere auf dem Land in entspannter Umgebung zu verbringen und in Begleitung von Pferden und Trainern sich "auf eine Reise zu begeben und neue Ressourcen zu finden", aber wie nachhaltig kann das neu Erlernte und Erfahrene auch umgesetzt werden, wenn der Alltag wieder über uns hereinbricht und Stresssituationen zu bewältigen sind?

Als kleine Hilfe, um nicht wieder in alte Muster zu verfallen, erhält jeder Teilnehmer ein Video mit den wichtigsten Sequenzen und kann sich so jederzeit alles wieder in Erinnerung rufen. Um den gesamten Prozess zu begleiten, erfolgt nach sechs bis acht Wochen eine Nachbesprechung mit den Klienten und Auftraggebern. Sollten die angestrebten Ziele noch nicht erreicht sein, dann heißt es wohl noch einmal: "Zurück zu den Pferden." (itt, DER STANDARD, 25./26.1.2014)