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Die Schaufensterpuppen von American Apparel zeigten sich von ihrer natürlichen Seite.

Die Schaufensterpuppen von American Apparel zeigten sich von ihrer natürlichen Seite.

Foto: REUTERS/Brendan McDermid

Alles fing ganz unschuldig an. Über Nacht wurde das Schaufenster der Filiale des Modelabels American Apparel in der East Houston Street in New York umdekoriert. Am darauffolgenden Morgen standen staunende Passanten vor der Auslage, denn was es da zu sehen gab, war nicht vorhersehbar. Die Schaufensterpuppen ließen eine Empörungswelle durch die USA bis nach Europa schwappen.

Grund dafür waren Mannequins mit durchsichtigem Höschen. Wobei nicht die Unterwäsche Unmut erzeugte, sondern die deutlich sichtbare Behaarung darunter: Das Modelabel hatte die Puppen mit einer wuchernden Intimbehaarung ausgestattet.

Stars wie Gwyneth Paltrow, das Model Saskia DeBrauw und Lady Gaga stehen neuerdings zu ihrer üppigen, naturbelassenen Intimfrisur. Lena Dunham und Gaby Hoffmann zeigen sich in der HBO-Serie "Girls" au naturel. Cameron Diaz widmet in ihrem im Dezember erschienenen "The Body Book" dem Schamhaar sogar ganze 367 Worte. Die Schauspielerin und Neoautorin beschreibt die Intimbehaarung als eine hübsche Hülle, welche die Bikinizone für den Sexualpartner erst so richtig mysteriös mache. "Seien wir ehrlich ... wie jedes Teil unseres Körpers sind auch die Schamlippen der Schwerkraft ausgesetzt. Möchtest du wirklich für den Rest deines Lebens eine haarlose Vagina haben?"

Es gibt eine Wiederkehr des wild überwucherten Venushügels - und das gerade, als sich Frauen weltweit daran gewöhnt hatten, regelmäßig ihren "lady garden" zu trimmen.

Wunschvorstellung: Kindliche Intimzone

In Wien gibt es, wie in jeder modernen, westlichen Stadt, fast an jeder Ecke sognannte "Waxing Studios", die der Körperbehaarung den Kampf ansagen. Dabei wird versucht, mit dem Argument zu überzeugen, dass die Entfernung der Schambehaarung hygienischer und schöner sei. "In den letzten Jahren gibt es immer mehr Aufklärung über die Haarentfernung und deshalb trauen sich auch mehr Kundinnen zu uns", meint eine Mitarbeiterin des Salons La Bonita in Wien.

"Die Wünsche der Kundinnen sind stark vom Alter abhängig", erklärt die Kosmetikerin: "Bei jenen über 30 kommt der Wunsch des Mannes durch, eine weniger kindliche Intimzone bei der Frau vorzufinden. Deshalb wird ein kleiner Haaransatz, ein sogenannter Landing Strip, übriggelassen." Der Intimbereich ist also doch nicht so intim, denn Medien, Kosmetikerinnen, Stars, Meinungen und Männer haben, wie es scheint, Einfluss darauf.

"Der Frauenkörper wurde in den letzten Dekaden Trends unterworfen und die Frauen machen auch mit", meint Beate Wimmer-Puchinger, Klinische und Gesundheitspsychologin vom Wiener Programm für Frauengesundheit. "American Apparel hat sich mit der Intimbehaarung bei den Puppen einen guten PR-Gag ausgedacht". Ein PR-Gag mag es sein, aber tatsächlich konfrontierte das Label auf diese Weise eines der letzten Tabuthemen unserer Zeit: ob und wieviel "da unten" weg soll.

Volles Haar ohne Scham

Es stellt sich die Frage, ob die Schambehaarung einen wichtigen Zweck erfüllt, oder sie unbedenklich entfernt werden kann. "Die Körperbehaarung des Menschen erfüllt immer einen Sinn - im Falle der Schamhaare ist dies ein Zurückhalten der Bakterien während des Geschlechtsverkehrs, aber auch die Verbreitung von Pheromonen", weiß Franz Reinthaler, stellvertretender Vorstand am Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin in Graz.

"Die Entfernung der Intimbehaarung ist zwar gang und gäbe, aber nicht unbedingt hygienischer, als das Beibehalten der Haare", erklärt Reinthaler weiter: "Die Hygiene im Intimbereich steht im direkten Verhältnis zur Reinigung. Der Schmutz, Körperflüssigkeiten und auch Mikroben, werden durch das tägliche Waschen entfernt." Der Aufenthalt der Mikroorganismen auf unserem Körper aber sei absolut normal, da der Mensch - mit oder ohne Behaarung - ohnehin von Kopf bis Fuß von diesen umgeben sei.

"Die Entfernung der Intimbehaarung ist im Grunde nur eine Modeerscheinung, aber weder gesundheitsschädigend, noch problematisch", versichert der Arzt.

Wimmer-Puchinger sieht den Rückzug der Behaarung bei den Frauen in den vergangenen Jahren als Infantilisierung. Das Idealbild einer Frau sollte demnach möglichst zierlich und kurvenlos sein - wie bei einem zwölfjährigen Mädchen. "Es ist eine Verniedlichung und vor allem eine Verharmlosung des weiblichen Körpers", konstatiert die Gesundheitspsychologin.

Die Öffentlichkeit schreibt Frauen vor, was "natürlich schön" ist, setzt aber gleichzeitig auch die Grenzen, wo Natürlichkeit aufzuhören hat. Das Schamhaar stehen zu lassen könnte also etwas Rebellisches an sich haben. Die Psychologin verwirft diesen Gedanken aber und meint: "Ich glaube nicht, dass die Intimbehaarung viel mit Rebellion zu tun hat, vielmehr bedeutet dieser Trend weniger Mädchen und mehr Frau sein zu dürfen."

Schamhaare und Zensur

Die kanadische Künstlerin Petra Collins weiß, was es bedeutet, wenn die Gesellschaft etwas nicht gut findet. Im vergangenen Jahr wurde sie von der Plattform Instagram gelöscht, weil sie ein Foto von sich in ihrem Bikiniunterteil samt überquellender Haarpracht veröffentlichte. Höschenfotos gibt es auf Instagram ständig und im Überfluss, allerdings löste in diesem Fall die Intimbehaarung einen Eklat aus. Collins bezog dazu auf ihrem Blog Stellung und meinte: "Ich hab mich über die Entfernung meines Accounts nicht gewundert. Immerhin bin ich es gewohnt, dass unbearbeitete Bilder von Frauenkörpern als unakzeptabel gelten".

Intime Angelegenheit

Die Tendenzen, die die Mode- und Beautywelt beeinflussen, sind immer dem aktuellen Zeitgeist unterworfen. "Wir sollten den Körper aber nicht an die Mode anpassen, sondern die Mode an den Körper", meint Wimmer-Puchinger.

Ob nun das wilde Wachstum im Intimbereich gut, schlecht, rebellisch, unhygienisch oder gar unverantwortlich ist, bleibt Haarspalterei. Im wortwörtlichen Sinn. (Evelyn Höllrigl, derStandard.at, 12.2.2014)