"Wie bei einem Boot muss man auch bei einem kleinen Haus darauf achten, ...

... dass jedes Eck ausgenutzt ist." Heide Schicht (li.) und Astghik Der Sakarian über ihr Kleingartenprojekt an der Alten Donau in Wien.

Foto: Stefan May

Dann wundert es auch nicht, dass plötzlich ein Bücher- und Pflanzenregal an der Fassade auftaucht.

(Renderings: Teodora Radeva, Beluga & Töchter Moroso)

Ein verschnörkeltes Gründerzeithaus in Wien-Neubau. An der Tür steht Beluga & Töchter. Mit Kaviar hat das alles nichts zu tun. Mit Luxus aber sehr wohl. Denn Heide Schicht und Astghik Der Sakarian, beide um die 40 mit iranischen und armenisch-iranischen Wurzeln, betreiben ein Architekturbüro, das sich auf das Feine, auf das Genussvolle spezialisiert hat. "Luxus hat nicht unbedingt mit viel Geld zu tun, sondern ist in erster Linie ein Bekenntnis zum Wohlbefinden und Genießen", sagt Der Sakarian. "Luxus kann auch billig sein. Ist alles nur eine Frage, was man darunter versteht."

Belugastör und Kaspisches Meer also, da tun sich große Bilder auf. Und das ist gewollt. Denn die beiden Frauen, die sich vor mehr als zehn Jahren in einem Architekturbüro kennenlernten und seit 2007 zusammenarbeiten, wollen bewusst auf ihre familiäre Herkunft aufmerksam machen: "Unsere Eltern stammen teilweise aus dem Iran, und selbstverständlich schlägt sich die Kultur, in der wir zum Teil aufgewachsen sind, auch in unserer Arbeit nieder", so Schicht. Die "Töchter" im Büronamen seien übrigens eine Anspielung auf die Männerdomäne und die vielen Söhne und Gebrüder in Österreich. Zwei Frauen an der Spitze eines Architekturbüros? Das hat hierzulande (leider immer noch) Seltenheitswert.

Zu den bisherigen Projekten der beiden leidenschaftlichen Seglerinnen zählen Einfamilienhäuser, Villen, Penthäuser und Kleingartenhabitate. Ein solches ist das weiße Holzhaus an der Alten Donau. Nicht von ungefähr erinnert das kleine Domizil für ein Ehepaar aus der Privatwirtschaft an Segelboot und Yacht. Das nur 35 Quadratmeter große Kleingartenhaus am Wasser ist innen und außen mit weiß lackiertem Holz verkleidet und vermittelt mitunter das Gefühl, an Deck auf hoher See zu sein.

"Wie bei einem Boot muss man bei einem kleinen Haus darauf achten, dass die einzelnen Räume mehrfach nutzbar und bespielbar sind und dass jedes Eck ausgenutzt ist", erklärt Der Sakarian. Synergieeffekt nennt sich das im Fachjargon. Und so wird die Küche zur Bar, die Bar zum Balkon, der Balkon zum Wohnzimmer, das Wohnzimmer zum Wintergarten, der Wintergarten bei Bedarf zum winterlichen Biosphärenreservat und dieses nach Lust und Laune zum Open-Air-Partyraum. Klappbare Wände und Deckenelemente machen' s möglich.

Zum Spiel mit dem Innen und dem Außen gehört auch, dass plötzlich Bücherregale an der Fassade und die Fassadenteile im Küchenkastl auftauchen. Dieses lustvolle Hin und Her findet sich auch bei anderen Projekten wieder, nicht zuletzt auch bei den vielen historischen Sanierungen der Beluga-Töchter. Denn: "Das, was wir lieben, ist eine gewisse Auseinandersetzung mit Raum, mit introvertierten und extrovertierten Elementen sowie mit orientalischen Ornamenten", sagt Heide Schicht. "Wir haben diese Ornamentik auf unsere Weise weiterentwickelt - ohne Kitsch, dafür aber zeitgenössisch und modern." (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 5.4.2014)