Zu viel blaues Licht verwirrt unseren Körper. Der Organismus schaltet auf Tag, der erholsame Schlaf rückt immer weiter in die Ferne.

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Das Sonnenlicht steuert uns wie alles Leben auf der Erde über Hell und Dunkel. Wird es hell, schüttet unser Organismus Stresshormone aus, damit wir wach und aktiv werden. Wird es dämmrig, schütten wir das Hormon Melatonin aus, dass uns in den Schlaf bringt. Dann drehen wir das Licht auf! Zu der Zeit, als das noch die Glühlampen waren, bot das die Möglichkeit, den Tag etwas zu verlängern, es ermöglichte aber auch, den Arbeitstag zu verlängern.

Straßenbeleuchtung, Reklame, Schaufenster, Fernseher, Computerbildschirme und Mobiltelefone sind heute Lichtquellen, die selbstverständlich vorkommen. Wie wichtig Licht tatsächlich ist, wissen wir aber erst seit wenigen Jahren. Denn das Sonnenlicht steuert uns auch über Lichtfarben. Tagsüber hat das Sonnenlicht einen hohen Anteil an Blau (etwa 6300 Kelvin), am Abend mehr Rot- und Gelbtöne. Die alten Glühbirnen hatten eine ähnliche Farbtemperatur wie das Sonnenlicht, heutige Leuchtmittel strahlen blendend weißes Licht aus.

Organismus schaltet auf Tag

Forscher haben ein drittes Nervenzellensystem im Auge der Menschen gefunden, dass offenbar nur für die Erkennung von blauem Licht da ist. Trifft blaues Licht auf diese zusätzlichen Rezeptoren, dann schaltet der Organismus auf Tagschaltung. Blaues Licht gibt es in der Natur ja nur am Morgen und tagsüber. Und hier beginnt ein Kreislauf, der erklärt, warum in der modernen Gesellschaft immer mehr Menschen (75 Prozent) an Schlafstörungen leiden.

Wir haben eine Vielzahl an Beleuchtungen und Bildschirmen, die uns helles, weißes Licht anbieten und dabei viel blaues liefern. Welches Licht blitzt aus den Fenstern, hinter denen ein Fernseher läuft? Es sind intensive blaue Lichtblitze. Die Kollegen und Kolleginnen der Universität Basel haben erhoben, dass Menschen, die vor einem modernen Bildschirm sitzen, um bis zu 20 Prozent aktiver und wacher sind, als sie es sonst um die Abend-Nacht-Zeit wären.

Zeitverwirrung verringert Erholungseffekt

Wir machen uns also wach vor dem Schlafengehen und nehmen diese Aktivierung in unseren Nachtschlaf mit. Diese Zeitverwirrung im Organismus bringt aber einen verringerten Erholungseffekt des Schlafs mit sich und damit eine erhöhte Müdigkeit am nächsten Tag. Nicht so intensiv, dass wir das tatsächlich registrieren würden, aber stetig fortschreitend, weil wir ja unsere Verhaltensmuster auf Erleben programmiert haben. Schlaf kann aber nicht nachgeholt werden.

Was also ist zu tun? Nun, zunächst können die Leuchtmittel auf warme Lichtfarben ausgetauscht werden, Bildschirme können mittels Gratis-Apps auf das jeweilige Sonnenlicht justiert werden, also ab Dämmerung immer rötlicher, Schichtarbeiter können mit gelben oder orangen Schutzbrillen (müssen in bestimmter Abfolge getragen werden) den Abbau des Schlafhormons Melatonin hintanhalten. Machen Sie sich auf die Suche nach Lichtquellen, die aktivierende Schlafräuber sind, und gehen Sie sorgsam mit denen um, deren Lichtfarbe Sie nicht verändern können. Machen Sie Ihren Schlafraum zur finsteren Höhle, weil wir immer noch die Höhlenmenschen sind. Sie werden einfach besser schlafen und sich erholen. Schlafräuber nehmen auch Gesundheit und Lebenszeit mit. (Johann Beran, DER STANDARD, 12.4.2014)