Karin Standler findet es schade, dass wir immer nur Lifestyle-Trends hinterherjagen - anstatt uns zu fragen, welcher Garten zu uns passt.

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DER STANDARD: Haben Sie einen Garten?

Karin Standler: Ja, ich habe sogar zwei Gärten. Der eine liegt direkt vor meinem Wohnzimmer im siebten Bezirk in Wien, der andere befindet sich am Froschberg in Linz. Für mich ist es wichtig, dass ich als Landschaftsarchitektin selbst damit experimentieren kann, wie sich gewisse Pflanzen unter bestimmten Bedingungen entwickeln, aber auch damit, wie die Materialien, die ich einsetze, mit der Zeit altern.

DER STANDARD: Was experimentieren Sie denn?

Standler: Ich experimentiere mit unterschiedlichen Standorten, was Besonnung, Beschattung und Trockenverträglichkeit betrifft, aber auch mit ihrer Zusammensetzung - ob das nun Farne, Baumlilien oder Schneeballhortensien sind. Denn nicht alle Pflanzen kommen gut miteinander aus. Für meinen Beruf ist es wichtig, genau zu beobachten, welche Pflanzen gut nebeneinander wachsen können und welche nicht.

DER STANDARD: Was ist ein Garten für Sie?

Standler: Je nach Jahreszeit etwas anderes! Mein Garten in Wien liegt über einer Garage und hat 70 Quadratmeter. Mein Ziel war, dass er nicht mehr als Terrasse oder Garagendach wahrgenommen wird, sondern als üppiger Garten. Jetzt im Frühjahr zum Beispiel, liebe ich es, in dieses Blütenmeer einzutauchen und mit dem Garten mitzuwachsen. Auch wenn die Arbeit anstrengend ist und man davon Kreuzweh bekommt, ist der Garten für mich eine Quelle, aus der man Kraft und Freude schöpft.

DER STANDARD: In den letzten Jahren erlebt das Garteln eine regelrechte Renaissance. Warum?

Standler: Die Renaissance, denke ich, bezieht sich in erster Linie auf das Garteln im Sinne von Gartenarbeit. Das merkt man allein daran, wie viele Gartenratgeber in den letzten Jahren erschienen sind, die Wissen und handwerkliche Erfahrung vermitteln. Was die architektonische Gestaltung der Gärten betrifft, ist die Situation jedoch eine andere.

DER STANDARD: Inwiefern?

Standler: Die schönen, bewusst gestalteten Gärten stellen in Mitteleuropa in Wirklichkeit eine verschwindende Minderheit dar. Die meisten Menschen nehmen den Garten nach wie vor nicht als einen Ort der Landschafts- und Gartenkultur wahr. Da sind die Potenziale noch lange nicht ausgeschöpft.

DER STANDARD: Was schlagen Sie vor?

Standler: Mehr Kreativität! Ich wünsche mir mehr konzeptuelle Qualität, mehr künstlerische Einflussnahme und vor allem auch mehr Bekenntnis zu Gartenkultur. Das vermisse ich ehrlich gesagt ein bisschen.

DER STANDARD: Das heißt, in der Natur sind wir altmodische Traditionalisten?

Standler: In gewisser Weise ja. Ich sage nur: Rasen, Thuje, Nadelgehölz. Das sind die Elemente vieler Gärten - auch in Österreich. Schade eigentlich. Da tut mir als Landschaftsarchitektin das Herz weh.

DER STANDARD: Was sind die Alternativen zur Thuje?

Standler: Viele dieser Thujenheckengärten, um sie mal so zu nennen, wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren, errichtet. Damals lag die Gartenkultur im Argen. Ich sehe jedenfalls, dass wir uns bei den Bottom-up-Bewegungen in der Stadt, also im Grätzelgarten, beim Urban Farming und beim Guerilla-Gardening, viel mehr trauen als im eigenen Privatgarten. Die Bewegungen, die von New York, London und Berlin ausgegangen sind und nun langsam auch nach Österreich überschwappen, finde ich zum Teil sehr spannend. Besonders faszinieren mich die Konzepte zur essbaren Stadt.

DER STANDARD: Was ist eine essbare Stadt?

Standler: Das ist die Idee, die Bepflanzung in Parkanlagen und im Wohnumfeld so zu konzipieren, dass man die Stadt essen kann - ob das nun Kräuter, Beerensträucher, essbare Gehölze, Obstbaumalleen oder eigens angelegte Flächen für Urban Farming sind.

DER STANDARD: Können Sie Beispiele nennen?

Standler: Das bekannteste Beispiel ist Andernach in Rheinland-Pfalz. In Österreich fallen mir etwa Kirchberg am Wagram oder Wiener Neustadt ein. Ein schönes Projekt, das sich mit der essbaren Stadt befasst, ist die Berliner Plattform mundraub.org. Dabei werden vergessene Obstbäume an Landstraßen oder in verlassenen Gärten auf einer virtuellen Landkarte markiert. Auf diese Weise können viele Tonnen von Obst, die jedes Jahr von den Bäumen fallen und sonst verfaulen würden, clever genutzt werden.

DER STANDARD: Würden Sie direkt neben der Straße Himbeeren für Ihr Joghurt pflücken?

Standler: Es gibt genügend Flächen, wo sich eine solche Pflanzung besser eignet als direkt am Straßenrand. Unterm Strich geht es um die Aneignung der Stadt und des öffentlichen Freiraums. Es geht ums Selbsttun, darum, etwas in die Hand zu nehmen und den eigenen Lebensraum mitgestalten zu können - ob das nun Urban Farming oder Guerilla-Gardening ist. Abgesehen davon bedienen diese urbanen Anbauflächen die Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit. Die Menschen wollen nicht länger auf die EU-Tomate aus dem Supermarkt angewiesen sein, sondern möchten sich auch selbst versorgen können.

DER STANDARD: Sind Sie selbst schon mal als Guerilla-Gärtnerin tätig gewesen?

Standler: Wir haben für die Ausstellung "Im Garten. Lebensräume zwischen Sehnsucht und Experiment" im Linzer Stadtmuseum Nordico schon mal Seedbombs gebaut. Das sind kleine Erdballen mit Wiesensamen, die man dann in der Stadt auswerfen kann. Ich persönlich konzentriere mich lieber auf meinen eigenen Garten.

DER STANDARD: Seit 2006 veranstalten Sie den Wettbewerb "best private plots", an dem sich Gartenarchitekten und Gartenbesitzer aus aller Welt beteiligen. Gibt es Trends und Perspektiven, die sich da abzeichnen?

Standler: "Best private plots" ist ein internationaler Wettbewerb, bei dem herausragende Leistungen in der Gestaltung von Privatgärten gewürdigt werden, denn sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Stärkung von Gartenkultur. Die schönen, die wirklich beeindruckenden Gärten sind dabei diejenigen, die eben nicht blind irgendeinem Trend nachgehen, sondern eine eigenwillige, individuelle Interpretation eines landschaftlichen Freiraums sind.

DER STANDARD: Was macht einen guten Garten aus?

Standler: Ein guter Garten ist für mich persönlich einer, der in Bezug zu seinem Ort steht. Ich wünsche mir, dass man einem Garten ablesen kann, in welchem Teil der Erde, in welchem Kulturkreis, in welcher Klimazone er sich befindet. Ich denke, durch "best private plots" konnten wir dazu beitragen, dass hier in den letzten Jahren eine gewisse Sensibilisierung stattgefunden hat.

DER STANDARD: Drei Tipps für den Hobbygärtner?

Standler: Erstens empfehle ich, die Rahmenbedingungen, die auf einem Grundstück herrschen, zu respektieren und mit ihnen zu arbeiten - und nicht gegen sie. Zweitens rate ich, sich für den Garten eine Gesamtidee zu überlegen und den Garten zu nutzen, um darin Räume zum Verweilen und zum Produzieren anzulegen. Drittens mache ich meine Kunden immer wieder darauf aufmerksam, dass ein Garten Zeit und Geld kostet. Es geht nicht nur um die Anschaffungskosten, sondern auch um die laufende Pflege. Denn ein Garten, das ist aktives, aufwändiges Handwerk! Und ...

DER STANDARD: Gibt's noch einen vierten Punkt?

Standler: Ja. Viertens wünsche ich mir, dass die Leute davon weggehen, immer nur die tausendfach gesehenen Thujenhecken oder irgendwelche anderen Trends zu kopieren. Ich möchte die Menschen dazu anspornen, sich von tradierten Lifestyle-Bildern zu verabschieden und sich die Frage zu stellen: Was ist ein Garten? Was hat der Garten mit mir selbst zu tun? Welcher Garten passt zu mir? Und wo finde ich mich wieder? Denn oft ist der schönste Garten nicht unbedingt der beste. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 30.4.2014)

Update, 8.5.2014 - Statement von Karin Standler

Anhand der großartigen und vielfältigen Reaktionen und Kommentare, die sich zum Thema Thujenhecken hier auftun, möchte ich gerne auf diese reagieren.

Besonders spannend sind für mich die Einblicke und Geschichten, welche Beweggründe Gartenbesitzer haben, Thujenhecken zu mögen oder eben auch nicht zu mögen. Es sind persönliche als auch praktische Themen angesprochen, und ich bin überrascht, dass die Thujenhecke viel mehr als eine Hecke ist und sich dahinter die Menschen öffnen (zumindest in Form der Postings). Die Thujenhecke bewegt die Menschen und gewährt Einblicke in Welten hinter der Hecke.

Thujenhecken stellen ein Phänomen der Gartenkultur dar und somit haben sie auch eine gesellschaftlichen Relevanz.  Im Endeffekt muss jeder Gartenbesitzer für sich selbst entscheiden, wo die Prioritäten des Gartens liegen und welchen Funktionen dieser zu erfüllen hat. Auch das Wissen über Alternativen wurde in den Beiträgen immer wieder gut genannt. Es ist der Garten ein Handwerk mit Wissen, nicht umsonst hat sich die Berufsgruppe "Gartenarchitektur" dazu etabliert, die beratend, planend und umsetzungsorientiert auch eine Alternative zu Thujenhecke vorschlagen kann bzw. überhaupt das Thema Sichtschutz aufgreift.

Es ist eine kulturelle Frage, denn in manchen Ländern gibt es keine Hecken entlang der Gartengrenzen, auch bei uns z.B. in Salzkammergut (Bad Aussee-Grundlsee) sind traditionell Gärten nicht eingezäunt - das macht jeden Garten größer und vielfältiger. Es gibt daher noch viel dazu sagen und gut so, dass noch nicht alles dazu gesagt wurde. Wie zum Beispiel auch das Thema der Nachhaltigkeit, des ökologischen Bewußtseins und auch der Mehrwert, den jeder Gartenbesitzer für seine Lebensqualität haben möchte, ... Natur im Garten - eine Initiative von LH-STv. Wolfgang Sobotka diskutiert das ökologische Gärtnern und legt mit dem Wettbewerb "best private plots - Die besten Gärten" neue Tendenzen fest und stärkt die Gartenkultur. Ein prämierter Garten von best private plots mit Heckenelementen von Jane Bihr de Salis löst das Thema Sichtschutz anders, nämlich als Heckenkörper, die sich im Garten verteilen und genau dort Sichtschutz geben, wo er notwendig ist. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt!

(Karina Standler, derStandard.at, 8.5.2014)