Na bumsti: In dem 800-Quadratmeter-Hybrid aus Café, Lounge, Bierlokal, Cocktailbar und Restaurant mit 800-Euro-Plus-Weinen soll es auch erwachsenes Essen geben.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Zumindest die Pizza ist sehr okay.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Halle. Tempel. Palast. Das sind Begriffe, die angesichts des neuen "Freiraum" an der Mariahilfer Straße (Höhe Webgasse) angebracht scheinen: Achthundert Quadratmeter auf einer Ebene - so etwas gab es in Wien bislang höchstens als Tanzlokal an der Peripherie, aber nicht als Restaurant in bester Shoppinglage. Wobei "Restaurant" als Untertreibung zu werten ist: Das Freiraum will zumindest Café, Bierlokal, Lounge, Wintergarten, zwei Cocktailbars und edles Restaurant mit imponierender Weinkarte in einem sein, von Wiens aufwändigster Frühstücksadresse (bis Mitternacht!) ganz zu schweigen.

Schon in der Getränkekarte überschlagen sich die Superlative: 100 Wodkasorten aus Russland und Polen, aber auch aus Kroatien, Mexiko, Italien und der Mongolei. Dazu kubanischen Rum um 2800 Euro für 50 cl und eine sehr bemerkenswerte Auswahl heimischer Edelbrände. Die Weinkarte bietet allein 24 verschiedene Champagner, den großen Verführer Krug Rosé (EURO 495) inklusive. Aus Österreich darf alles antreten, was gut und nicht zu günstig ist.

Und das Essen? Vom Frühstück war schon die Rede, täglich gibt es neben den Klassikern allein 23 verschieden Möglichkeiten, sich Eier servieren zu lassen - ob pochiert mit Sauerrahm, als Rührei mit geschmolzenem Brie, spanisches Omelette oder weichgekocht mit Lachskaviar. Dazu Finessen wie Beef Tartare, Tuna Sashimi oder Bohnen-Muschel-Ragout; Gesundes wie gegrillte Grapefruit mit Vanille und Birchermüsli; oder Pancakes mit Ahornsirup, Peanut Buttter, frische Waffeln mit Früchten und dergleichen mehr.

Wild zusammengewürfelte Ethno-Küche

Dieser schwindelerregende Drang zur Vielfalt setzt sich auf der Speisekarte fort, die sich nicht minder bemerkenswert liest. Allein die Tatsache, als neues Lokal einen Holzofen und einen Robata-Feuergrill nach japanischem Vorbild überhaupt genehmigt zu bekommen, zeugt von bemerkenswerter Zielstrebigkeit. Leider ist auf der Karte nur wenig davon zu merken. Die Gerichte variieren zwischen wirklich ordentlichen Fantasy-Pizzen mit hauchdünnem, knusprigem Teig, großen, frischgebackenen und üppig gefüllten Laberln (hören auf den gefährlichen Namen "Brotdings"), wild zusammengewürfelter Ethno-Küche zwischen Pljeskavica und Thai-Suppe mit Garnelen und Chili. Für T-Bone-Steak mit "toskanischem Gemüse" um 30 Euro ist freilich auch Platz - irgendetwas müssen ja auch jene essen, die die Trophäenflaschen aus der Weinkarte (Mouton-Rothschild, Haut-Brion, Pingus etc.) ordern sollen.

Doch es wird wohl noch dauern, bis die Küche die überbordende Karte einigermaßen gebändigt hat. Büffelmozzarella kommt nicht, wie versprochen, mit Mangosalat, sondern mit klebriger Sauce daher. Pak Choi wird im Bambusdämpfer zur übelriechenden Kohlpampe totgekocht, da helfen auch ganz anständige, kurzgebratene Tuna-Würfel am Extrateller nichts mehr. Scharf gegrillte Calamari sind dagegen knackig und zart, wären ohne Wan-Tan mit undefinierbarer Fülle aber besser dran gewesen. Ganz böse schließlich der "US-Burger" mit einem graugekochten Fleisch-Pattie, der in Konsistenz, Aussehen und Geschmack ganz gefährlich nach Fabriksware aussah. Dazu labbrige Pommes und leimige Barbecue-Sauce - nein, danke. (Severin Corti/Der Standard/rondo/24/10/2008)