Foto: Heribert Corn
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Das Vespa-Museum (Grazer Straße 159, 7400 Oberwart) hat keine bestimmten Öffnungszeiten. Am besten Kurt Schermann anrufen und nachfragen: 0699/101 34 677

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Lebt mit seinen rollenden Schmuckstücken unter einem Dach: Kurt Schermann.

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Es hat sich mittlerweile herumgesprochen: Wer nicht weiter weiß, wenn die Vespa einmal spinnt, ruft Kurt Schermann an. Der 45-jährige Burgenländer und "Vespa-Zangler" steht Vespisten, die am Ende ihres Lateins sind, mit Rat und Tat zur Seite. "Kurt. Was kann ich für dich tun?", meldet er sich. Er ahnt schon, dass es einer seiner zahlreichen Haberer ist, der mit ihm zwar seine Leidenschaft teilt, aber nicht sein enormes Wissen rund um das Innenleben der Vespa.

Es sind die großen, klassischen Vespas, "noch aus ordentlichem Blech gefertigt, mit Handschaltung", die es Kurt, der seinen Lebensunterhalt bei einer Hörgerätefirma verdient, angetan haben. Vor 20 Jahren hat er sich seine erste Vespa gekauft, heute hat er 80. Momentan zumindest. Es sind einmal mehr, einmal weniger: "Viele überlassen mir ihre Vespas, weil sie wissen, dass sie bei mir in guten Händen sind", erzählt Kurt und grinst: "Es sind auch viele Scheidungs-Vespas dabei, du weißt schon, die Herren können sich die Alimente nicht leisten und müssen sich von ihrem Roller trennen." Manche, die er doppelt hat, verkauft er auch wieder.

Privatmuseum

50 seiner wertvollsten Vespas sind in seinem Privatmuseum, das er gerade renoviert, untergebracht. Das unscheinbare Haus, in dem er quasi mit seinen Vespas lebt, liegt direkt an der vielbefahrenen Bundesstraße 50, die hier Grazer Straße heißt, wenige hundert Meter vor der Ortstafel Oberwart/Felsöör. Supermärkte, die Tankstelle und das Einkaufszentrum sind in Blickweite.

Während draußen die Autos vorbeizischen, kann man sich drinnen am Anblick der klassischen Vespas ergötzen. Sie stehen dort liebevoll arrangiert, in zahlreichen Varianten und Baujahren, im Originallack, mit der Patina der vergangenen Jahrzehnte oder frisch lackiert und restauriert in mehreren hellen Räumen. "Es gab in Italien eine Verschrottungsprämie für alte Vespas, das musst du dir einmal vorstellen", erzählt Kurt und zeigt Fotos, wie er ganze Anhängerladungen alter Vespas und Vespateile aus dem Süden importiert, um sie dann detailgetreu zu restaurieren. Er hat auf diese Weise wohl die eine oder andere Rarität vor der Schrottpresse gerettet. "Che bella linea!", möchte man ausrufen beim Anblick seiner Schätze. "Jede Vespa hier hat ihre eigene Geschichte", sagt Kurt und deutet auf eine Vespa "GS", Baujahr 1962. "Die hier hat dem Vater einer Schulfreundin gehört, die ich schon lange aus den Augen verloren hatte. Eines Tages kommt sie zu mir und erzählt mir davon." Nur ein Jahr sei die "GS" angemeldet gewesen, danach in der Garage gestanden, Tip-Top-Originalzustand, schwärmt er. "Und schau, sogar die Bohrungen auf dem Kotflügel für die kleinen schwarzen Nummerntafeln, wie sie damals üblich waren, passen ganz genau."

Zwischen Zeitgeist und Lifestyle

Das Museum ist ein Sammelsurium aus Vespa-Reliquien, aber auch Devotionalien jener Epoche, die Kurt verehrt, die 1960er und 70er. So steht neben der "GS" ein neueres Modell, eine "ET4", die es deshalb ins Museum geschafft hat, weil es sich um eine "Mod"-Edition des Vespa-Herstellers Piaggio handelt - mit unzähligen Rückspiegeln, Hupen und Scheinwerfern ausgestattet. Passenderweise genau unter einem Tourplakat von den von vielen Vespisten/Mods so verehrten The Who. Kurt ist keine Ausnahme: "Ich bin vor Jahren auch zum Konzert nach Wien gefahren. Mit der Vespa versteht sich." Es finden sich aber zum Beispiel auch Rennanzüge des Rennfahrers Dieter Quester: "Ich habe ihm einmal seine Lambretta repariert, dafür hat er mir diese Anzüge geschenkt", erzählt Kurt.

"Die Funktion hatte Form, die Form war nicht Selbstzweck, strahlte aus, hatte Aura", schreibt Peter Roos in seinem Essay-Buch "Vespa Bella Donna" und weiter: "Design war 1946 in Pontedera (zwischen Florenz und Pisa gelegen, Geburtsort der Vespa, Anm.) Fremdwort, und doch haben Vespa-Po und Vespa-Backen, Gürtellinie, Schutz- und Schmutz-Schild dieser Epoche Identität verliehen." Die Vespa wurde zum Lifestyle-Produkt.

Und ist es immer noch. Gerade weil "retro" angesagt ist. "16-jährige Mädchen fragen mich nach einer alten Vespa mit Handschaltung", erzählt Kurt zum Abschied, "weil Vespa ein Synonym für einen bestimmten Stil ist." Er steigt in seinen Van, der nach Werkstatt riecht, und braust davon - mit an Bord: jede Menge Ersatzteile und zwei klassische Vespas. (Markus Böhm/Der Standard/rondo/11/03/2011)