Nichts gegen den Fleischhauer Radatz, ganz im Gegenteil. Sein Leberkäs mundet vortrefflich, seine Beinschinkensemmel detto, er trägt zu Recht das österreichische Staatswappen und das „Wiener Wurstgütesiegel“ (Wer vergibt denn das eigentlich?). Zudem liegt die nächste Radatz-Filiale einen Steinwurf von der Standard-Redaktion entfernt, sodass sich akute Fälle von kleinem Hunger schnell in der Nachbarschaft beheben lassen. Gegen die Ware ist nichts einzuwenden, wohl aber hat die marottenhafte Präsentation, mit der sie dem Kunden nahe gebracht wird, ihrem Chronisten schon öfters auf den Magen geschlagen.

Bei Radatz setzt man nämlich ebenso konsequent wie penetrant auf den bestimmten Artikel als Werbemittel: Schweinsschnitzel werden nicht als Schweinsschnitzel feilgeboten, sondern neben dem rosigen Schnitzelstapel steckt ein Schildchen, das behauptet, es handle sich um „Das Schweinsschnitzel“. Es gibt keine Kärntner Kasnudeln, sondern „Die Kärntner Kasnudeln“, keine Weißwürste, sondern „Die Weißwurst“, keine Beinschinkensemmeln, sondern „Die Beinschinkensemmel“, wobei noch der flüchtigste Blick durch die Glasvitrine belehrt, dass es sich erstens nicht um „die Beinschinkensemmel“ handelt, sondern um irgendeine Beinschinkensemmel, und meistens auch nicht nur um eine Beinschinkensemmel, sondern um mehrere Beinschinkensemmeln.

Der Hintergrund dieses sprachlichen Tricks ist natürlich der, dass Radatz seine Beinschinkensemmel durch die Voranstellung des bestimmten Artikels zu einer Institution aufwerten und mit einer Aura der Unverwechselbarkeit ausstatten will, wie sie sonst nur dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, der Französischen Revolution, der Sixtinischen Kapelle oder dem Empire State Building zu eigen ist.

Für diese doch etwas anmaßende Beanspruchung der deutschen Syntax gibt es hier nicht das Wiener Wurstgütesiegel, sondern ein Strafmandat von der sprachpolizeilichen Abteilung in Winders Wörterbuch.