... – und selbst bei den Blauen werden die Wurzler offenbar nur sehr sporadisch verwendet. Eine Blitzrecherche im Standard-Archiv, das bis ins Jahr 1990 zurück reicht, ergibt gerade einmal sechs Treffer für den Tief- und zehn für den Flachwurzler, wobei fünf Tiefwurzler und neun Flachwurzler in direktem Zusammenhang mit der FPÖ stehen. Zur Erinnerung: Anfang 2003 trat Finanzminister Karl-Heinz Grasser aus der FPÖ aus und wurde darauf von Jörg Haider als „moralischer Flachwurzler“ bezeichnet. Bei den momentanen Streitereien wirft das eine Lager dem anderen vor, dass die "ideologischen Tiefwurzler des Dritten Lagers" (Andreas Mölzer) nicht mehr den gebührenden Einfluss in der Partei hätten.

Gibt es, so wie sich die deutschen Grünen in Realos und Fundis teilten, konkurrierende Flügel von Tiefwurzlern und Flachwurzlern in der FPÖ? Wenn ja, so würde ihr Chronist Höbelt, Mölzer oder Stadler unter den Tiefwurzlern vermuten. Klassische Flachwurzler hingegen sind Grasser, Mikscha, Rosenstingl und Rumpold. Besonders Rosenstingl haftet etwas Flüchtiges an, das sich nur schwer mit der Vorstellung eines tiefen Verwurzeltseins vereinbaren läßt.

Das Grimmsche Wörterbuch kennt weder einen Flach- noch einen Tiefwurzler, wohl aber das einfache Nomen „Wurzler“: Es ist dies eine Personalbildung zu "Wurzel" und bedeutet so viel wie "Kräutersammler, -händler, -kundiger". Würde Winders Wörterbuch um eine ästhetische Bewertung des Stichworts gebeten, so fiele diese positiv aus: Flach- und Tiefwurzler sind anschauliche und unverbrauchte Sprachbilder. Schade, dass sie bloß in teutscher Muttererde gedeihen. Es wäre schön, sie fallweise auch in ideologisch weitläufigeren Gefilden anzutreffen.

Notabene: Ein schönes Lob auf das Nichtwurzeln spricht Herr Ziffel in den „Flüchtlingsgesprächen“ von Brecht aus: "Das ist ein zynischer, wurzelloser Standpunkt, der gefällt mir."