Der gebürtige Mailänder Angelo Bonati ist Chef der Luxusuhrenmarke Officine Panerai.

Foto: Officine Panerai

"Orologi da tasca delle principali marche svizzere" - "Taschenuhren der großen Schweizer Hersteller": Mit dieser Aufschrift warb seinerzeit die Orologeria Panerai an der Piazza San Giovanni in Florenz. Als Reminiszenz an jene Tage Anfang des 20. Jahrhunderts präsentierte Panerai beim Genfer Uhrensalon wieder eine Taschenuhr.

Die Pocket Watch 3 Days Oro Rosso (Durchmesser 50 Millimeter, Handaufzug, Kal. P.3001/10) ist aus Rotgold gefertigt. Sie ist bis zu fünf Bar wasserdicht. Der Zeitmesser ist auf 50 Stück limitiert und kostet 55.000 Euro.

Foto: Officine Panerai

Panerai brachte bereits überdimensionierte Armbanduhren auf den Markt, lange bevor viele andere Marken auf diesen Zug aufsprangen. Die Zeitmesser der Officine Panerai, wie das Unternehmen vollständig heißt, waren zudem geradlinig und schnörkellos, hatten einen sportlichen Appeal - das war 1997, als sich die Richemont-Gruppe der vernachlässigten Marke aus Florenz annahm, etwas unerhört Neues. Denn solche großen Kaliber gab es davor nicht auf dem Luxusuhrenmarkt.

Die Anfänge der Uhrenmarke (Uhrenhändler war die Familie Panerai schon seit 1860) in den 1930ern hatten mit der italienischen Marine und Rolex zu tun. Erstere wollte gut ablesbare und zuverlässige Taucheruhren, und Zweitere lieferte mit den Oyster-Werken die passenden, wasserdichten Werke: Panerai hatte also das Design, griff aber auf Schweizer Fremdwerke zurück. Damit ist auch erklärt, warum die Marke eng mit dem Wasser verbunden war und bis heute ist.

Bis 1992 hatte Panerai nur ans Militär geliefert. Man beachte, dass innerhalb von 60 Jahren nur 300 Uhren hergestellt wurden.

Eine gute Mischung

Italienisches Design und Schweizer Präzision - das ist bis heute keine schlechte Mischung. Dass Panerai nach der Jahrtausendwende einen beispiellosen Aufstieg von der Insider-Nischenmarke zur Hightech-Uhrenmanufaktur hinlegte, eine treue Fangemeinde, die "Paneristi", sein Eigen nennen kann und zu den beliebtesten Uhrenproduzenten in Sammlerkreisen zählt, ist nicht zuletzt Angelo Bonati (63) zu verdanken. Er achtet penibel darauf, dass eine Panerai rein äußerlich (es gibt nur zwei Linien: "Radiomir" und "Luminor") immer eine Panerai bleiben wird.

Auch wenn sich die inneren Werte geändert haben, seit die Italiener Werke in ihrer eigenen Manufaktur in Neuchâtel in der Schweiz herstellen. Das erste war das P.2002 aus dem Jahr 2005. Bald wird ein neuer Manufakturkomplex mit 10.000 Quadratmeter Fläche ebendort eröffnet.

STANDARD: Wie erklären Sie sich das Phänomen der "Paneristi", der Hardcore-Fans von Panerai?

Angelo Bonati: Wir unterscheiden uns von anderen Uhrenmarken, weil wir eine besondere Geschichte zu erzählen haben - die militärische Vergangenheit, die italienische Herkunft. Und weil wir die Ersten waren, die übergroße, sportliche Uhren innerhalb des Luxussegments angeboten haben.

STANDARD: Uhrenpapst Jean-Claude Biver meint, dass Ganggenauigkeit und Präzision Fetische der Haute Horlogerie seien. Jedes Smartphone könne die Zeit genauer anzeigen, deshalb sei der Wettlauf um die genaueste Uhr lächerlich ...

Bonati: ... da bin ich anderer Meinung: Ich denke, in der Haute Horlogerie macht man sich heute weniger Gedanken über die Ganggenauigkeit als vor dreißig Jahren. Wer heute eine Luxusuhr kauft, kann sicher sein, dass sie auch genau geht. Ganggenauigkeit ist kein Fetisch, sondern ein Zeichen von Qualität. Und die hat in den letzten Jahrzehnten ganz bestimmt zugenommen. Keiner würde - sagen wir - 5000 Euro für eine Uhr ausgeben und von ihr nicht erwarten, dass sie genau ist.

STANDARD: Was, glauben Sie, wird die Uhrenindustrie in den kommenden fünf Jahren bewegen?

Bonati: Die "Emerging Markets" werden weiterhin eine große Rolle spielen. Sie absorbieren schon jetzt einen großen Teil der Luxusuhrenproduktion und werden es auch in Zukunft tun. Wir haben auch gesehen, dass sich immer mehr neuartige Materialien im Uhrenbau bewähren - das ist ebenfalls ein Trend, der anhalten wird und der dazu beiträgt, den Markt, aber auch die Kreativität der Uhrenbauer zu stimulieren. Der Kunde will immer etwas Neues. Diese beiden Trends befruchten sich gegenseitig.

STANDARD: Panerai baut seit 2005 die Produktion von Manufakturkalibern in Neuchâtel weiter aus. Man hätte ja auch gleich bei Rolex, dem Unternehmen, mit dem die Marke historisch eng verbandelt war, bleiben können ...

Bonati: So einfach ist die Sache auch wieder nicht. Es ist natürlich immer besser, weitgehend unabhängig zu sein. Es ist eine Investition in die Zukunft, die wir uns leisten können und müssen. Wir sehen uns schließlich als Uhrmacher und wollen noch stärker als Manufakturmarke wahrgenommen werden.

STANDARD: Wird es mit dem Ausbau der hauseigenen Werke noch mehr limitierte Editionen geben?

Bonati: Wir produzieren Spezialeditionen, weil der Markt danach verlangt. Das macht aber keineswegs das Gros unserer Produktion aus. Es gibt auch unbegrenzt erhältliche Kollektionen. Warum es trotzdem Limited Editions gibt? Weil Panerai am Anfang seiner Geschichte nicht sehr viele Uhren hergestellt hat. Wir halten also an einer Tradition fest.

STANDARD: Viele Marken setzen auf Testimonials. Bei Panerai gibt's das nicht. Wieso?

Bonati: Das ist nichts für uns. Niemand soll sich eine Panerai kaufen, nur weil sie ein Star trägt. (Markus Böhm, Rondo, DER STANDARD, 30.5.2014)