Über Ungleichheit lässt sich immer trefflich streiten; durch die Weltfinanzkrise, den Bestseller des französischen Ökonomen Thomas Piketty und steigende Steuerbelastungen hat das Thema noch an Sprengkraft gewonnen. Doch die Zahlen sprechen oft keine klare Sprache, wie man auch an der Kritik an Pikettys Daten sieht. Das erlaubt es Politikern, sich jene Fakten herauszupicken, die ihnen gerade ins ideologische Konzept passen.

In Österreich ist die Entwicklung besonders schwer zu durchschauen. Die Kluft bei den Einkommen steigt zweifellos, doch wird sie durch die hohen Sozialtransfers ausgeglichen. Allerdings gibt es auch Kapitalerträge, die zumeist an jene fließen, die bereits viel haben. Ob diese Gewinne hoch genug besteuert werden, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

Wenn man dann noch Pensionsansprüche, etwa von Beamten, mit hineinrechnet, schaut das Bild wieder anders aus: Ein pensionierter Hofrat hat meist mehr zum Leben als ein Kleinunternehmer. Und der Einkommensrückstand bei Jüngeren wird durch Zuwendungen der Elterngeneration zum Teil wieder wettgemacht. Das Berufsleben ist härter geworden für unter 30-Jährige, aber arm sind nur wenige.

Zurück bleibt bei den einen ein Gefühl der wachsenden Ungleichheit und bei den anderen eines einer steigenden Abgabenbelastung. Alle haben irgendwie recht, was die politische Debatte nicht einfacher macht. (Eric Frey, DER STANDARD, 5.6.2014)