Es war bisher ein gängiges Rezept: Man nehme eine Herrenuhr, verkleinere das Gehäuse, setze ein paar Steinchen darauf - fertig ist die Damen(quarz)uhr. Nun scheint sich aber eine Trendwende anzubahnen, zumal in der Luxusuhrenindustrie.

Immer mehr Marken der Haute Horlogerie entdecken ihre weibliche Seite und bieten auch Frauen das an, was lange Zeit fast ausschließlich Männern vorbehalten war: technisch raffinierte, mechanische Uhren.

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Mit der Essenza Ceramic Touch sorgte Rado auf der Baselworld 2013 für Aufsehen. Die Damenuhr hat keine Krone, um die Uhrzeit zu stellen. Die Zeiger werden durch Streichen über Sensoren am Keramik-Gehäuse bewegt. Das Werk wird mit einer Batterie betrieben.
Foto: Reuters/Arnd Wiegman

Ein Statussymbol für Männer

Männer tragen diese feinen High-Tech-Zeitmesser als Status-Symbole. Auf sie zielt(e) der rund 38 Milliarden schwere Schweizer Uhrenmarkt vornehmlich ab. Selbst die Finanzkrise konnte der Nachfrage nach tickenden Pretiosen nicht viel anhaben. Dennoch bemerkt auch die Branche den Rückgang von Verkäufen in China, wo seit gut zwei Jahren härter gegen Korruption vorgegangen wird.

Weil die Wachstumsraten der erfolgsverwöhnten Hersteller nun also nur mehr einstellig sind, wendet man sich der anderen Hälfte der Menschheit zu: "Frauen sind die Zukunft für die Uhrenbranche", sagt zum Beispiel Jean-Claude Biver, seit kurzem für die Uhren-Angelegenheiten der LVMH-Gruppe zuständig. "Es gibt ein enormes Potenzial bei Damenuhren, das erst zur Hälfte genutzt wird."

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Diese Damenuhr (Referenz 7121/1) aus Gold zeigte Patek Philippe, Spezialist für hochwertige und komplizierte Uhren, auf der diesjährigen Baselworld.
Foto: Reuters/Arnd Wiegman

Größe wirkt abtörnend - aber nicht immer

Traditionell zeigten Frauen zunächst wenig Interesse an mechanisch komplexen, multifunktionalen Zeitmessern auf deren Herstellung sich die Reputation der Schweizer Uhrmacherei gründet. Das liegt auch sicher daran, dass technisch aufwändige Uhrwerke entsprechend Platz brauchen, was zur Folge hat, dass die Uhren eine bestimmte Größe haben mussten. Das wirkte, so die gängige Meinung, abschreckend auf Frauen, die dann zwangsläufig zu kleinen, batteriebetriebenen Uhren greifen würden.

Das gilt nun offenbar nicht mehr. Weibliche Kunden greifen öfter zu größeren, mechanischen Uhren - die dürfen aber durchaus das eine oder andere Edelsteinchen aufweisen. Angetrieben wird diese Entwicklung von Konsumentinnen aus einer wachsenden chinesischen Mittelschicht.

Die automatische Damenuhr Ladymatic wurde 2010 von Omega in Peking präsentiert und kam sofort gut bei den Kundinnen an. Mittlerweile gibt es sie in diversen Ausführungen. Ja, auch Diamanten sind bei den Kundinnen angesagt.
Foto: Omega

Steigende Nachfrage aus Asien

So stellte das auf Luxusprodukte spezialisierte Marktforschungsunternehmen Digital Luxury Group fest, dass einschlägige Online-Suchanfragen nach Damenuhren 2013 um 7,5 Prozent zugenommen haben - angeführt von China und Marken der Swatch Group, wie Omega, Longines, Breguet, Tissot, etc. Analysen von Bain & Co wiederum zeigen auf, dass 2013 der Anteil von Damenuhren im Luxusuhren-Segment auf 35 Prozent gewachsen ist (gegenüber 20 Prozent im Jahr 1995).

Stephen Urquhart, Chef von Omega, sagt, dass der Erfolg der Ladymatic-Modelle vor allem auf asiatische Kundinnen zurückzuführen sei. Dass diese automatische Damenuhr 2010 ausgerechnet in Peking vorgestellt wurde, hat sicher dazu beigetragen. Urquhart stellt zudem fest, dass sich chinesische Frauen zunehmend als Konsumentinnen emanzipierten: "Immer mehr kaufen für sich selbst ein." Und würden sich nicht mehr einfach nur von ihren Männern beschenken lassen. Am asiatischen Markt zeigt sich auch, dass diamantbesetzte Uhren, wie die Ladymatic, die Nicole Kidman auf Werbesujets trägt, durchaus wieder im Kommen sind.

Im vergangenen Jahr Ulysse Nardin hat die "Jade"-Kollektion als Flaggschiff seiner neuen Damenkollektion vorstellt. Das Interessante an dieser Uhr: Man muss nicht mehr die Krone ziehen, um Uhrzeit und Datum einzustellen, sondern kann dies über einen Drücker bei 4 Uhr tun. Das schont den Nagellack.
Foto: Ulysse Nardin

Technische Neuerungen für Damenuhren

Die Nachfrage nach mechanischen Damenuhren zwingt die Hersteller auch zu technischen Neuerung. So hat im vergangenen Jahr Ulysse Nardin die "Jade"-Kollektion als Flaggschiff seiner neuen Damenkollektion vorstellt. Das Interessante an dieser Uhr: Man muss nicht mehr die Krone ziehen, um Uhrzeit und Datum einzustellen, sondern kann dies über einen Drücker tun. Das schont den Nagellack - kein Witz, sondern tatsächlich ein Input der Vorstandsvorsitzenden der Uhrenmanufaktur, Chai Schnyder.

Ebenso Maniküre schonend funktioniert die auf der Baselworld 2013 präsentierte Rado Essenza Ceramic Touch, bei der komplett auf eine Krone verzichtet wird, weil man sie nicht mehr benötigt, um die Zeiger zu bewegen: Das geschieht mit einem sanften Streichen entlang des Gehäuses. Freilich braucht diese Uhr dafür ein Quarzwerk. Das Konzept hat für soviel Aufsehen gesorgt, dass heuer auch ein Herrenuhr mit der selben Technologie auf den Markt gekommen ist.

Die Faubourg, eine Quarzuhr von La Montre Hermès, misst gerade einmal 15,5 Millimeter im Durchmesser.
Foto: La Montre Hermès

Auch kleine (Quarz-)Uhren haben gute Chancen

Um aber auch den Geschmack jener Konsumentinnen zu erreichen, die von zu großen Kalibern abgeschreckt werden, setzt die Branche nach wie vor auf kleinere Modelle. "Je mehr Funktionen man einer Uhr gibt, desto dicker wird sie. Wir müssen noch auf die technischen Möglichkeiten warten, um kleinere Uhren herzustellen", sagt dazu Thierry Stern, Vorsitzender von Patek Philippe. Die Manufaktur ist dafür bekannt, besonders ausgefeilte und komplizierte Zeitmesser zu produzieren. Nur ein Drittel der Produktion von Patek Philippe ist auf weiblichen Handgelenken zu finden. Stern möchte diesen Anteil aber auf 40 Prozent anheben.

Auf der anderen Seite der Skala arbeitet beispielsweise La Montre Hermès. "Wir gehen ein bisschen gegen den herrschenden Trend und bieten mit unseren neuen Faubourg-Modellen eine kleine Damenuhr an", sagt Luc Perramond, CEO von La Montre Hermès. Die Faubourg, eine Quarzuhr, misst daher gerade einmal 15,5 Millimeter im Durchmesser. (Markus Böhm, derStandard.at, 02.07.2014)