Beim Gießen kommt es hauptsächlich auf die Menge an.

Illustration: Dennis Eriksson

Wenn sich der gewiefte Gartler an seinen Rechner setzt, um sich über das richtige Gießen schlauzumachen, bekommt er die spannendsten Tipps. So ist immer wieder davon zu lesen, dass man nicht mit kaltem Wasser gießen möge, das würde einen Schock bei den Pflanzen verursachen.

Wie sich der Schock äußert, erfährt man nicht, aber man bekommt schon ein Gefühl dafür, wie es den Pflanzen in solchen Momenten wohl geht. Was für ein entzückender Anthropomorphismus. Demnach müssten die Pflanzen nach einem anständigen Saunagang so richtig erfrischt aus dem Eisbecken steigen, nicht? Alles Unsinn. Richtig ist: Die Löslichkeit von Mineralstoffen und die Permeabilität an den Wurzeln unter anderen Einflüssen ist auch von der Temperatur abhängig. Kaltes Wasser ist beim Gießen nicht förderlich, aber auch kein Nachteil. Weiters ist oft zu lesen, dass Trockenheit das Wurzelwachstum anrege. Ja, stimmt aber nur zum Teil, denn die Wurzeln wachsen dann vermehrt in den verbleibenden feuchten Erdbereich hinein und sterben im trockenen ab. Und Wasser bewegt sich innerhalb des Bodens nur sehr langsam, maximal wenige Zentimeter.

Weniger ist mehr

Wer also im Sommer mit Tröpfchen bewässert, sollte sich dessen gewahr werden. Der beste Gießtipp ist natürlich jener, dabei das Blattwerk nicht zu benetzen. Pflanzen würden das nicht mögen. Die Zahl der mit Regenschirmen bewaffneten Gartler, die versuchen, den Regen von den Pflanzen fernzuhalten, ist seit dem Aufkommen dieses "Tipps" Legende. Im Ernst: Beim Gießen ist es in Wahrheit wie mit den meisten Angelegenheiten im Leben - die Menge macht das Gift, und weniger ist oft mehr. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 18.7.2014)