Wenn man kleine Affen auf Bali beobachtet, wie sie alkoholische Drinks von Touristen geplant stibitzen, und Elche jeden Herbst in Schweden auf gärendes, runterfallendes Obst warten, damit sie sich mit Absicht in alkoholisierten Zustand versetzen: Säugetiere funktionieren erstaunlich gleich, wenn es um einen Zustand des Rausches geht.

Glückszustände funktionieren in der Regel nach demselben neurologischen Prinzip: In unserem Gehirn werden die Rezeptoren Dopamin und Serotonin ausgeschüttet, welche eine enthemmende Funktion auf den präfrontalen Cortex in unseren Gehirn bewirken – wir empfinden meist Zustände des Glücks. Unabhängig davon, wie wir diese Zustände herbeiführen, sehnen wir uns danach, diese zu erreichen.

Suche nach dem Glück

Ob beruflicher Erfolg, ob Sex, ob Sport oder Zuneigung zu Adrenalin-Ausschüttung: Wir sind Wesen, welche süchtig nach Glück sind.

Das Gegenteil, eine mindere Ausschüttung obiger Rezeptoren, ergibt meist bedenkliche Depressionszustände.

Österreich wird aktuell von einer Debatte über die immer wahrscheinlicher werdende Legalisierung von Cannabis dominiert. Nach Colorado, Washington und Uruguay als Vorreiter einer neuen Welle an Staaten, die den Konsum und Erwerb erlauben, ist die Diskussion auch in Europa voll entbrannt. Dieses Thema zeigt, wie Massen einem Stakkato gleich manipulieren. Medien, die unreflektiert unwahre Propaganda wiederkäuen, werden rarer. Jedoch sind es meist Massenmedien, die weiterhin auf alte "Argumente“ pochen, wider jede Vernunft.

Sei es eine "Krone“, eine "Bild“, eine "Blick“ … Massenmedien, die davon leben, dass sie ungebildeten Massen Meinungsmache rigoros hinwerfen, vom Wahn beseelt, den Menschen etwas beizubringen, was "Blattlinie“ ist, sind ausgerechnet bei Drogendebatten weit davon entfernt, Wahrheit zu verbreiten.

Mythen über Cannabis

Stur wird weiterhin behauptet, dass Cannabis "Einstiegsdroge“ ist, werden harmlose Kiffer als sozial abgedriftete Loser bezeichnet, wird THC als größtmögliches Übel bezeichnet. Ein bekannter Mythos, besonders beliebt bei Politikern und Wählern der konservativen Fraktionen, lautet: Alkohol ist Tradition und harmloser als Cannabis.

Richtig ist, dass Alkohol hinter Heroin zweitgefährlichste Droge ist. Allein die Zahlen in Österreich sprechen Bände. Von 8,5 Millionen Einwohnern sind 1,2 Millionen (14 Prozent) alkoholgefährdet. Jährlich sterben etwa 8000 Personen an den Folgen des Alkoholkonsums. Das Anton-Proksch-Institut rechnete vor, dass dieses Land ein echtes Alkoholproblem hat.

Ein Drittel der 15-jährigen Mädchen und fast die Hälfte der gleichaltrigen Burschen haben bereits mehrfache Rauscherfahrungen hinter sich.

Noch schlimmer: Neun Prozent der 13-jährigen Mädchen und 16 Prozent der 13-jährigen Burschen waren schon öfter betrunken.

Es zählt hierzulande zum guten Ton, bei Festen betrunken zu sein.

Alkohol ist ein Problem

Der klassische Österreicher empfindet es als erstrebenswert, sich anzutrinken oder es zumindest witzig zu finden, wenn Bekannte einen Vollrausch durchleben.

Bei Erwachsenen ist es gruslig: 670.000 Männer sind alkoholgefährdet, unfassbare 260.000 Männer sind Alkoholiker. Umgerechnet also mehr als jeder zwanzigste.

Doch auch in der Welt der Frauen regiert der Alk, denn immerhin 65.000 sind alkoholkrank, auch schon mehr als 200.000 gefährdet.

Aussagen wie "Alkohol ist hier Tradition“ von Spitzenpolitikern wie H.-C. Strache sind daher hochgradig verantwortungslos.

Das Problem sitzt wie ein rostiger Nagel in unseren Breiten. Ich wage zu behaupten, dass es ausartet: Überall wird Werbung für Bier bis Schnaps betrieben. Sogar Spitzensportler, die sogenannten „Volkshelden“, sind sich nicht zu schade, für Bier zu werben.

Geht man aus und trinkt nichts, wird man sogar schief angesehen. Fast jeder von uns wird zumindest einen alkoholgefährdeten Menschen in seinem Umkreis kennen oder jemanden, der dem Alkohol zum Opfer fiel.

Und doch wird fröhlich weitergebechert, als gäbe es kein Morgen. "Flat-Rate“-Partys, Zeltfeste, einfaches "Abhängen“ bei bekannten Treffpunkten von Jugendlichen ... die Möglichkeiten sind endlos.

Täglich kann man von Schlägereien in Lokalen lesen, meist verursacht durch die Wirkung der "Volksdroge“.

Was sich in den eigenen vier Wänden ereignet, lassen nur Dunkelziffern erahnen. Geprügelte Frauen und Kinder, attackierte Männer, Tierquälerei sind überall in diesem Land an der Tagesordnung, Gewalt ist Alltag.

Wenn sich ein Gewalttäter vor Gericht verantworten muss, wird Alkoholisierung meist als Milderungsgrund gesehen.

Leicht lassen sich konkrete Zahlen zu Unfallstatistiken mit Beteiligung alkoholisierter Personen finden, lt. Statistik Austria: Über sechs Prozent der Verkehrsunfälle sind unter Alkoholeinfluss entstanden. Exakt 9.531 Unfälle in den Jahren 2010 bis 2013, 12.585 wurden verletzt, 154 verloren ihr Leben. Durch Alkohol.

Dass dies hierzulande nicht zu denken gibt, ist morbide. Sind wir ignorant, weil wir nicht gewillt scheinen, umzudenken?

Im Gegenteil: Aktuell läuft eine hochemotionale Debatte über die Legalisierung von Cannabis, das nur in unmöglich zu erreichenden Dosen letal wäre. Der gelernte Europäer, stark vertreten durch konservative Politiker in den Medien, verteufelt diesen Stoff, der weder Gehirnzellen wie der Alkohol abtötet, noch aggressiv macht.

Das soll keine Werbung sein, aber aufzeigen, wie widersinnig die Gesetzgebung ist.

Politiker lassen sich gerne mit dem Bier- oder Weinglas in der Hand ablichten,. Gleichzeitig wird ohne jegliche Argumentation der Wirkstoff THC, der die entspannende Wirkung des Cannabis-Konsums auslöst, als Teufelszeug abgeurteilt und werden dessen Konsumenten verfolgt.

Entkriminalisieren und kontrollieren

Anstatt dass Substanzen und deren Konsum endlich entkriminalisiert und kontrolliert abgegeben werden, erdreisten sich hohe Beamte, mit Aussagen wie "Jugendschutz“ ein bestehendes Verbot zu verteidigen. Jugendschutz im Sinne von Kartellen, denen es egal ist, wie alt der Kunde ist, dem er mit allerlei Giften gestreckte Substanzen überteuert verkauft.

Als in den 80er-Jahren der Glykol-Skandal über gepanschten Wein in aller Munde war, waren Millionen (zu Recht) empört. Dass die immer größer werdende Menge an Cannabis-Konsumenten wehrlos gestreckten Drogen ausgesetzt ist, wird nicht verhindert.

Steigende Kosten für Einsätze der Exekutive im Drogenbereich werden akzeptiert, anstatt dass Steuereinnahmen durch kontrollierten Verkauf von Cannabis überdacht werden. Und das in Zeiten, wo die Staatsverschuldung überbordend wächst.

Selbst ranghohe Experten aus allen Richtungen der Judikative und Exekutive fordern einen Stopp der Verfolgung von Konsumenten illegaler Drogen. Zurzeit wirkt es, als würde Cannabis die Droge der Zukunft sein. Wäre mir persönlich auf jeden Fall lieber als die derzeitige Volksdroge. Da wir es nie schaffen werden, berauschenden Mitteln zu widersagen und als dauernüchterne Arbeitszombies schweigend dem Tagwerk nachzugehen, ist es höchste Zeit, modern zu agieren. (Gerald Kitzmüller, derStandard.at, 21.7.2014)