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Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma freut sich über ihren Verbleib im Amt.

Foto: EPA/VALDA KALNINA

Riga/Moskau - Wahlsieg ohne Machtperspektiven: Nach Auszählung eines Großteils der Stimmen ist das oppositionelle "Harmoniezentrum" in Lettland als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl vom Samstag hervorgegangen. Die Partei der russischen Minderheit erzielte bei der Abstimmung 23,6 Prozent und kann damit 25 von insgesamt 100 Abgeordnetensitzen in der Saeima für sich beanspruchen.

Als zweitstärkste Kraft konsolidierte sich die liberal-konservative Partei "Einheit" von Regierungschefin Laimdota Straujuma, die mit einem deutlichen Plus auf 21,6 Prozent und damit 23 Sitze kam. Dritter wurde das ebenfalls an der Regierung beteiligte "Bündnis der Grünen und Bauern", welches 19,7 Prozent und damit 21 Mandate holte. Die "Nationale Allianz" als dritter Regierungspartner erringt voraussichtlich 16,5 Prozent oder 17 Sitze.

Daneben kommen noch zwei neu gegründete Parteien in die Saeima: Für "Für Lettland von Herzen" stimmten 6,9 Prozent, für das "Bündnis der Regionen" 6,5 Prozent, womit auf beide Parteien je sieben Sitze entfallen.

Damit ändert sich das Kräfteverhältnis gegenüber der Wahl von 2011 nicht wesentlich. Das "Harmoniezentrum" verliert sogar sechs Sitze im Vergleich zum vorangegangenen Parlament.

Präsident Andris Berzins forderte die Parteien auf, sich innerhalb einer Woche auf eine neue Regierungskoalition zu einigen. Dabei lehnte er es ab, Rigas Bürgermeister, "Harmonie"-Chef Nils Usakovs, den Auftrag zur Regierungsbildung zu geben. Es sei unsinnig, eine Koalition zu bilden, die keine Mehrheit im Parlament finde, begründete er.

Viele Auswanderer

Das bestehende Kabinett sei durch das Wahlergebnis bestätigt worden, betonte Berzins. "Obwohl rund 40 Prozent der Saeima-Mitglieder neu sein werden, war die Abstimmung überzeugend", sagte er. Die verhältnismäßig niedrige Wahlbeteiligung (58,8 Prozent) begründete der Staatschef damit, dass es mehr Letten, als die Statistik ausweise, ins Ausland gezogen habe.

Die hohe Zahl der Auswanderer ist nicht das einzige Indiz für die Unzufriedenheit der Letten mit der wirtschaftlichen und sozialen Lage im Baltenstaat. In Umfragen hatte noch im August mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Regierung eine schlechte Arbeit bei der Wirtschafts- und Arbeitslosenpolitik bescheinigt.

Erstmals schien daher eine Regierungsbeteiligung des sozialdemokratisch orientierten "Harmoniezentrums" möglich. Die fehlende Abgrenzung gegenüber Moskau, insbesondere in der Ukraine-Krise, kostete das Bündnis am Ende aber deutlich Stimmen. Eine umstrittene Reise Usakovs' nach Moskau sorgte bei vielen Wählern für Irritationen. In Riga sind in Erinnerung an die sowjetische Okkupation die Ängste groß, dass sich die Geschichte wiederholen könnte. (Andre Ballin, DER STANDARD, 6.10.2014)