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Nicht nur dass grundsätzlich eine Kündigung während des Krankenstandes aus arbeitsrechtlicher Sicht möglich und zulässig ist, können übermäßige und überhöhte Krankenstände sogar dazu führen, dass diese Krankenstände unter bestimmten Umständen eine Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen, die die wesentlichen Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt.

Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer die Möglichkeit, eine Kündigung bei Gericht anzufechten, wenn diese seine wesentlichen Interessen beeinträchtigt und damit sozialwidrig ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer finanziell auf das Entgelt angewiesen ist und schlechte bis keine Aussichten hat, innerhalb absehbarer Zeit wieder einen Job mit vergleichbarem Entgelt zu finden.

In einem derartigen Fall kann die Kündigung dennoch gerechtfertigt und zulässig sein, wenn Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers nachteilig berühren oder betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen.

Unter gewissen Umständen können überhöhte Krankenstände genau derartige rechtfertigende Umstände sein, die in der Person der Arbeitnehmers liegen. Dies betrifft allerdings in keinster Weise Krankenstände in üblichem Umfang, sondern nur außergewöhnlich lange Krankenstände bzw. eine außergewöhnliche Häufigkeit von Krankenständen.

Wann sind Kündigungen adäquat?

Es müssen die betrieblichen Interessen soweit nachteilig berührt sein, dass sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen würden und die Kündigung als gerechte, den Umständen nach adäquate Maßnahmen erscheinen lassen. Je stärker die Kündigung die wesentlichen Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, umso gewichtiger müssen auch die betrieblichen Interessen sein, die die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen und umgekehrt.

Es gibt dabei keine starre Grenze für überhöhte Krankenstände in Bezug auf deren Häufigkeit und Dauer. Inwieweit aufgrund der Krankenstände ein Rechtfertigungsgrund für eine Kündigung gegeben ist, muss immer nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.

Erst heuer im Sommer hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit einer Kündigung aufgrund überhöhter Krankenstände auseinandergesetzt. In diesem Fall hat ein Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wegen Sozialwidrigkeit angefochten. Der Arbeitnehmer wies im Jahr 2008 einen durchgehenden Krankenstand über 30 Tage, im Jahr 2009 einen Krankenstand über 33 Tage und einen weiteren über 26 Tage sowie im Jahr 2010 einen Krankenstand über 19 Tage und einen Krankenstand über 50 Tage aus.

Unabhängig von den Krankenständen erschien der Arbeitnehmer auch während seiner 3 1/2-jährigen Dienstzeit insgesamt sechsmal zu spät zum Dienst, wobei er einmal um 26, einmal um 97 und einmal um 40 Minuten verspätet war. Im gegenständlichen Fall entschied der OGH, dass aufgrund der Häufigkeit und insbesondere der Regelmäßigkeit der Krankenstände des Arbeitnehmers in Gesamtbetrachtung mit der Unpünktlichkeit des Arbeitnehmers, die eine Pflichtwidrigkeit darstellt, die Kündigung, die ansonsten die wesentlichen Interessen des Arbeitnehmers durchaus beeinträchtigt hat, gerechtfertigt ist.

Welche Indikatoren Kündigung rechtfertigen

Auch wenn es keine starren zeitlichen Grenzen gibt, wann ein lang andauernder Krankenstand eine Kündigung rechtfertigt, so gibt es doch gewisse Indikatoren. Die Kündigung ist dann gerechtfertigt, wenn einem Arbeitgeber aufgrund der mangelnden Einsetzbarkeit der Arbeitskraft und auch wegen eines vertretungsweise nicht mehr bewältigbaren Leistungsausfalls eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zugemutet werden kann.

In einer länger zurückliegenden Entscheidung hat der OGH festgestellt, dass ein Arbeitgeber Krankenstände in der Dauer von rund acht Monaten nicht mehr in Kauf nehmen muss. In einem anderen Fall hat der OGH Krankenstände im Ausmaß von rund 27 Prozent der möglichen Arbeitszeit als personenbezogenen Kündigungsgrund gesehen.

Es kommt allerdings nicht nur auf die vorangegangene Dauer der Krankenstände an, der Arbeitgeber ist im Falle einer Kündigung aufgrund der Krankenstände auch verpflichtet, eine Zukunftsprognose über die weitere Arbeitsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers anzustellen.

Entscheidend ist dabei, dass ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber bei objektiver Betrachtung berechtigt davon ausgehen kann, dass Krankenstände in erhöhtem Ausmaß mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft zu erwarten sind. Dabei kann eine ungünstige Prognose beispielsweise aus einer steigenden Zahl der Krankheitstage bei regelmäßigen Krankenständen oder auch aus einer objektivierten Verschlechterung des Grundleidens abgeleitet werden.

Häufigkeit, Dauer und Art der Erkrankung

Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass Krankenstände in der Vergangenheit nicht unbedingt auf eine verminderte Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers in der Zukunft schließen lassen. Dieser Rückschluss ist beispielsweise dann nicht zulässig, wenn die den vergangenen Krankenständen zugrundeliegende Krankheit überwunden wurde und damit keinen Anlass für die Annahme von überhöhten Krankenständen in der Zukunft gibt.

Die Zukunftsprognose hängt somit nicht nur von Häufigkeit und Dauer der bisherigen Krankenstände ab, sondern wesentlich auch von der Art der Erkrankung samt deren Ursache und der zumutbaren Krankenbehandlung.

Wie aus den Beispielen ersichtlich ist, kann eine ansonsten sozialwidrige Kündigung nur dann durch Krankenstände gerechtfertigt sein, wenn diese in weit überhöhtem Ausmaß vorliegen und es auch Grund zur Annahme gibt, dass sich an dieser Situation nichts verbessert. "Übliche Krankenstände" wegen eines grippalen Infekts oder einer sonstigen Erkrankung, sind davon nicht betroffen. (Stephan Nitzl, derStandard.at, 6.10.2014)