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Klassisch erzieherische Warnung vor dem Lügen: Pinocchio. Hier in Graffiti auf der Baustelle zu den neuen Headquarters der Europäischen Zentralbank in Frankfurt

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Die Augenbrauen ziehen stark nach oben. Die Augen sind weit geöffnet und die Stirn ist in Falten gelegt. Der Mund ist entspannt aber weit geöffnet. Was zeigt dieser Ausdruck? Es ist Überraschung.

Nonverbale Kommunikation kann jeder lesen, manche besser andere schlechter. Durch die Mimik, die Körperhaltung, Kleidung und Intuition schätzt man Situationen oder Gesprächspartner ein und man schließt auf den Charakter eines Menschen. Eine Expertin auf diesem Gebiet ist Patricia Staniek. Sie ist Profilerin. "Ich konnte bereits als Kind sehr gut die Mimik von Menschen deuten", erzählt sie.

Patricia Staniek
Foto: Moni Fellner

Seit 20 Jahren hat sie dieses Gebiet zu ihren Beruf gemacht. Zuerst lehrte sie in Rhetorikkursen, heute ist sie Unternehmensberaterin, Lehrbeauftragte für die Detektivakademie, unterrichtet in Seminaren Menschenlesen und ist Autorin des Buches "Profiling: Ein Blick genügt und ich weiß wer du bist", welches als diesjähriger Buchliebling ausgezeichnet wurde.

Ausbildungsgeschäft

Patricia Staniek hat ihre Ausbildung zur Facial Action Coding System (Facs) Codiererin bei Jörg Merten, Mimikforscher an der Universität in Saarbrücken, gemacht. Zusammen mit Merten bietet Staniek diese Ausbildung in Wien an. Facs wurde von Paul Ekman, Anthropologe und Psychologe, und Wallace Friesen in den 1960ern entwickelt.

Ziel ist es Gesichtsbewegungen wie eine hochgezogene Augenbraue oder zusammengepresste Mundwinkeln in Bewegungseinheiten (Action Units) einzuteilen. Insgesamt besteht unser Gesicht aus 44 Action Units, 12 im oberen und 32 im unteren Bereich. Anhand der Gesichtslandkarte von Ekman kann man diese mimischen Aktionsfelder objektiv erfassen, nach Intensitäten einteilen und den Emotionen zuordnen.

Ekman identifizierte sieben kulturübergreifende Grundemotionen, die nicht kulturell erlernt sondern genetisch bedingt sind: Wut, Freude, Ekel, Verachtung, Angst, Traurigkeit und Überraschung. Die Emotionen werden aber auf Grund des Charakters, Erziehung und kulturellen Hintergrund unterschiedlich ausgelebt. Diese Emotionen sind in der Makromimik, einer kontrollierten Gesichtsmimik und der Mikromimik, welche für 1/5 Sekunde aufscheint und unseren wahren Gefühle darstellt, sichtbar. Facs wird vom FBI, CIA und Security Firmen seit "Ground Zero" genutzt. Außerdem wirkte Paul Ekman als wissenschaftlicher Berater in der Profilerserie "Lie to me" mit. In der Serie analysiert Carl Lightman und sein Team Mikroexpressionen und Körpersprache von Menschen um Lügner zu entlarven.

Bewerber flunkern

Facs wird nicht nur in Serien und bei Polizisten eingesetzt. Patricia Staniek unterrichtet Angestellte und Manager der Versicherungsfirma Helvetia in Mimiklesen.

"Im Prinzip kann jede Berufsspate davon profitieren, weil Mimiklesen die Kommunikation erleichtert" sagt Staniek. Firmen die Topmanager Positionen besetzen engagieren sie auch um bei Vorstellungsgesprächen Menschen einzuschätzen. "Bei Bewerbungsgesprächen flunkern die Menschen gerne um sich besser darzustellen", erklärt Staniek. Der Bewerber wird zum Beispiel gefragt ob er sich mit seinem alten Chef gut verstanden hat. Er sagt zwar, dass alles gepasst hat, aber zieht dabei die Augenbrauen für einen Augenblick zusammen. Diese Mikromimik bedeutet Ärger. Staniek erkennt die Emotion und beginnt genau an dieser Stelle nachzuhaken, ohne den Bewerber bloßzustellen.

Nicht nur in Bewerbungsgesprächen wird geflunkert. Auch im Alltag lügen Menschen. Ekman unterscheidet zwei Arten von Lügen: Die Verfälschung und die Verheimlichung. Bei der Verheimlichung lässt der Gesprächspartner Informationen unter den Tisch fallen, meist um die andere Person nicht zu verletzten. Wenn der Gesprächspartner eine Situation verfälscht, versucht er seine Emotionen hinter anderen Emotionen zu verstecken, zu neutralisieren oder versucht zum Beispiel Freude zu simulieren.

Männer fixieren

Dabei sollte man wissen, dass Männer und Frauen unterschiedlich kommunizieren. Männer fokussieren ihre "Beute", während Frauen eine größere Blickweite haben", erklärt Staniek. Männer lügen daher anders. Sie fokussieren dabei ihr Gegenüber. Frauen hingegen schauen ihr Gegenüber beim Lügen größtenteils nicht an. Frauen lügen meistens auch nicht über sich selbst sondern über andere Personen. Männer dagegen lügen vorwiegend über sich selbst, vor allem um sich besser darzustellen.

Lügen erkennen

Wie erkennt man Lügen? "Prinzipiell kann man eine Lüge an sich nicht erkennen. Wenn ich lüge, befinde ich mich in einer Stresssituation und diese Symptome sind sichtbar" erklärt Staniek. Zuerst wird das Basisverhalten der Person abgespeichert. Bei einer Lüge weicht die Person von diesem Verhalten ab, indem zum Beispiel die Stimme höher oder tiefer wird. Die Person kann schneller oder langsamer sprechen. Andere decken den Mund oder Teile des Gesichtes ab um die Lüge zu verbergen.

Beim berühmten Pinoccio Effekt reibt man sich dabei die Nase. Eine starke Gefühlsempfindung aktiviert die Insula, ein Hirnareal, und diese schüttet ein Hormon aus welche die Muskulatur bei der Innenseite der Augen und somit Nase erwärmt. Es entstehen kleine Schweißtropfen an der Nase welche jucken und dann weggewischt werden. Ein weiteres Zeichen können Manipulatoren sein. Menschen berühren dabei sich selbst, Gegenstände oder andere indem man zum Beispiel an die Krawatte greift oder an der Strumpfhose herumnestelt. Dieses Verhalten kann aber auch normal sein.

Lügen aufdecken

Wie deckt man Lügen am besten auf? Hier gibt es verschiedene Techniken. Man kann sein Gegenüber unter Stress setzten, durch die Stimme oder Formulierungen. Dabei zeigen sich die Symptome von Lügen öfter, schneller und intensiver. Man kann eine Frage in einem anderen Wortlaut wiederholen. Der Befragte fühlt sich zwar sicher aber versucht rasch das Thema zu wechseln. Eine weitere Technik ist es nach der umgekehrten zeitlichen Reihenfolge zu fragen. Lügner stolpern dabei über die ausgeschmückten Details.

Die wichtigste Komponente in jedem Gespräch ist jedenfalls Aufmerksamkeit. Mimik, Körperhaltung, Stimme und Gestik werden in den Gesprächskontext eingeordnet und nicht einzeln beurteilt. "Man muss den Menschen als Ganzes wahrnehmen, dann verrät er einiges über sich selbst" sagt Staniek. (derStandard.at, 21.10.2014)