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Leipzig spielt in einer schmucken 44.000er-Arena. Sie wurde für die WM 2006 ins alte Zentralstadion gebettet und 2010 Red Bull getauft.

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Ralf Rangnick ist seit Juni 2012 Sportdirektor.

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Zum Fürchten war es nicht, was RB Leipzig im Spitzenspiel der zweiten deutschen Bundesliga beim 0:0 gegen Kaiserslautern zeigte. "Mit und gegen den Ball sehr, sehr dürftig", nannte RBL-Trainer Alexander Zorniger das am Montag vor allem vor der Pause Gebotene. In Österreich ist, natürlich eine Klasse höher, Besseres oft zu sehen, wenn auch selten gemeinsam mit so vielen Menschen. Gut 25.000 saßen in der schmucken 44.000er-Arena, die für die WM 2006 ins alte Leipziger Zentralstadion gebettet und 2010 Red Bull getauft worden war.

Vielleicht ist das ein Grund, sich zu fürchten, für die Anhänger der fast durchwegs nur an Tradition reicheren Konkurrenten, für die Rasenballsport Leipzig der Gottseibeiuns ist, der Ausdruck der Gewalt, die der Mammon dem ehrlichen Fußball antut.

Es wird, das ist absehbar, enger werden am Trog. Das trübt auch den Blick auf den eigenen Verein. Die Heimspiele von RB Leipzig werden mehr oder weniger lückenlos von Gästefans boykottiert. Besonders lustige Fangruppen des aktuellen Zweitliga-Spitzenreiters Ingolstadt laden für den 7. Dezember, anstatt die eigene Mannschaft in Leipzig zu unterstützen, zum heimischen "Bullengrillen", wobei das Grillgut sein Leben wohl als Ochse beschlossen haben wird. Woher das Schmiermittel kommt, dass das eigene Werkel im Ingolstädter Audi-Park am Laufen hält, gerät bei derartigen Lustbarkeiten leicht aus dem Visier.

Comeback des Ostens

Bei RB Leipzig tröstet man sich damit, dass das 2009 begonnene Projekt Spitzenfußball nach den Jahren des mühsamen Marsches durch die sportlichen Instanzen zumindest in der Region angekommen ist, in der Stadt, in der der Deutsche Fußballbund gegründet worden war, aus der der erste deutsche Meister kam, und die vor dem Einstieg von Red Bull ballesterische Wüste war. Jetzt ist das 35 Millionen Euro teure Trainingszentrum in der Nähe des Stadions fast fertig, jetzt scheint die erste Reihe des deutschen Fußballs nicht mehr fern, das Comeback des Ostens durch einen strukturellen Westklub.

Der auch noch für Red Bull Salzburg zuständige Sportdirektor Ralf Rangnick (56) nimmt diese Auflage nicht an. RB Leipzig als legitimen Nachfolger von Dynamo Dresden und Hansa Rostock zu positionieren, die nach dem Mauerfall die erste gesamtdeutsche Bundesliga (1991/92) schmückten, kommt ihm nicht in den Sinn, obwohl das, 25 Jahre danach, zumal in der Heldenstadt des friedlichen Aufbegehrens von 1989, der am schnellsten wachsenden Metropole des Bundesgebietes, schon zu inszenieren wäre.

Wird Rangnick gefragt, was ihn antreibt, spricht er vom Reiz der Entwicklung. "Das ist, wie wenn man einen Garten anlegt." Seinen grünen Daumen hatte der Baden-Württemberger schon bei Ulm, viel deutlicher aber noch bei Hoffenheim gezeigt, als er einen von SAP-Gründer Dietmar Hopp großzügigst alimentierten Kleinverein in die Bundesliga führte. "Heute", sagt Rangnick, "ist Hoffenheim froh, dass es uns gibt." RB Leipzig habe die Rolle des Emporkömmlings, der sich Erfolg ohne Rücksicht auf Gewachsenes zusammenkauft, übernommen. "Irgendwann kommt ein anderer Verein, dann geht sich das auch für uns aus."

Rangnick, dem aus seiner Hochzeit, die ihn nach Erfolgen mit Schalke (Pokalsieg) geradewegs in völlige Erschöpfung führte, der Ruf des spröden Lehrers nachhängt, ist bereit, Fehler einzugestehen, die die verbreitete Idee von der Red-Bull-Familie beschädigt haben. Einen Transfer wie jenen von Marcel Sabitzer, der, weil bei Rapid nur mit einer Ausstiegsklausel für das Ausland versehen, von RB Leipzig verpflichtet wurde, um dann doch nach Salzburg zu gehen, würde er "heute so nicht mehr durchziehen". Parallel dazu läuft ein Programm, den Fußball nominell vom Geschäft des Geldgebers zu trennen, um keine Lizenzprobleme zu bekommen, wenn die sportliche Reife gegeben ist.

Rangnick wird dann nur noch Leipzigs Sportdirektor sein. Dass das durchaus erst übermorgen sein kann, hat die Mannschaft gezeigt. Denn zum Fürchten war das nicht. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 5.11.2014)