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Christoph Leitl (li.) nimmt die von Reinhold Mitterlehner gestartete Debatte gern auf. Die SPÖ von Werner Faymann ist skeptisch.

Foto: apa/jäger

Wien – Nicht alle in der ÖVP teilen die Ansicht von AMS-Chef Johannes Kopf, dass die Zumutbarkeitsbestimmungen bei der Jobvermittlung verschärft werden könnten. Wie berichtet, hat Kopf im STANDARD-Gespräch längere Anfahrtszeiten (bis zu 75 statt 60 Minuten) angeregt und dazu hinterfragt, ob Personen mit elterlichen Betreuungspflichten nicht zu einem Mindestmaß von 20 Wochenstunden anstatt bloß 16 herangezogen werden können sollten.

ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger ist von diesen Ansinnen nicht so begeistert. "Das soll jetzt kein Vorwurf an das AMS sein", sagt er zum STANDARD, "aber ich bin dafür, dass zunächst einmal die schon gesetzlich bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden, denn ich frage mich, ob das alles bei den AMS-Stellen in den Bezirken tatsächlich angewendet wird."

Bestehende Regeln besser nutzen

Bei seinen Sprechtagen in Schärding habe er jedenfalls den Eindruck bekommen, dass AMS-Bedienstete gerade bei älteren Arbeitnehmern "die bereits bestehenden Bestimmungen nicht immer ganz ausschöpfen". Erst wenn eine nunmehr strengere Handhabe nur unzureichend Wirkung zeige, könnte die Politik mit dem AMS dann eine andere, gemeinsame Linie ausarbeiten.

ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der die Debatte selbst losgetreten hat, sagt zu den Ideen von Kopf: "Das sind praxisorientierte Vorschläge, die man sich im Interesse aller Beteiligten näher ansehen sollte." Die Diskussion sei "jetzt eröffnet".

Dänische Verhältnisse

Der Präsident der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, wiederum spricht sich dafür aus, die Debatte "nicht reflexhaft" ausschließlich über strengere Zumutbarkeitsbestimmungen zu führen: "Es geht nicht darum, nur strengere Lösungen aufzuzeigen." Er selbst plädiert wie schon vor einigen Jahren dafür, sich bei der Jobvermittlung ein "Beispiel an Dänemark" zu nehmen, wo Arbeitslose "sehr rasch wieder eine Arbeit annehmen müssen" – und zwar auch dann, wenn der neue Job nicht unbedingt ihrer Qualifikation und ihrem vormaligen Gehalt entspricht.

"Freilich" gehören diese Arbeitnehmer dabei "begleitet", etwa mit Kombilohnmodellen und Schulungen. Ziel sei auch, dass sie später eventuell wieder ihrer Qualifikation entsprechend am Arbeitsmarkt eingesetzt werden können. "Das ist besser, als in die Langzeitarbeitslosigkeit zu rutschen." Was Leitl nicht dazusagt: In Dänemark ist das Arbeitslosengeld höher als hierzulande.

100-Tage-Frist

In Österreich können Arbeitslose derzeit in den ersten 100 Tagen nicht zur Annahme eines Jobs in einem Bereich außerhalb der bisherigen Tätigkeit gezwungen werden. Was die Entlohnung betrifft, gilt: In den ersten 120 Tagen müssen nur Stellen angenommen werden, bei denen man zumindest 80 Prozent des früheren Gehalts verdient, danach sind es 75 Prozent.

In der Gewerkschaft hält man naturgemäß gar nichts von Verschärfungen. "Das wäre ein Vorschlag, der bei einem Arbeitskräftemangel helfen würde. Aber bei der derzeit hohen Arbeitslosigkeit ist das sinnlos", sagt der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz.

Rote vermuten Ablenkungsmanöver

In SPÖ-Kreisen wird vermutet, das Thema werde von der Wirtschaftsseite nur hochgezogen, um einen "Gegenpol" zu den stockenden Verhandlungen für ein Bonus-Malus-System zur stärkeren Beschäftigung älterer Arbeitnehmer aufzubauen.

Der Sozialexperte Wolfgang Mazal spricht sich explizit gegen Verschärfungen für Eltern mit Betreuungspflichten aus. Dass diese nur zur Aufnahme von Jobs mit 16 Wochenstunden gezwungen werden können, habe man seinerzeit bewusst so festgeschrieben, "weil ja noch die Fahrzeit dazukommt". Bei Teilzeitjobs gelten eineinhalb Stunden für Hin- und Rückfahrt als zumutbar. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit stünden Familien ohnehin unter besonderem Druck, meint Mazal. "Die Arbeitsmarktprobleme daher zum Anlass zu nehmen, ausgerechnet bei dieser Gruppe Verschärfungen vorzunehmen, scheint mir von der Prioritätensetzung verfehlt." (Günther Oswald, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 6.11.2014)