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Vor einem Jahr kürte Milliardär Bidsina Iwanischwili (re.) Innenminister Irakli Garibaschwili zum Premier und verließ die Politik - offiziell.

Foto: EPA/ZURAB KURTSIKIDZE

Tiflis/Wien - Die drei am deutlichsten prowestlich orientierten Minister haben die georgische Regierung verlassen, teils gezwungen, teils freiwillig: Das nährt Spekulationen, dass das unter starkem Druck Russlands stehende Südkaukasus-Land seinen außenpolitischen Kurs ändern könnte.

Vordergründig geht es um Korruptionsvorwürfe gegen Spitzenbeamte des Verteidigungsministeriums, die in der Vorwoche in Untersuchungshaft genommen wurden. Nachdem Ressortchef Irakli Alasania sich hinter seine Leute gestellt hatte, wurde er von Ministerpräsident Irakli Garibaschwili am Dienstag entlassen. Daraufhin traten Alasanias Freie Demokraten aus der Koalition "Georgischer Traum" aus. Diese verliert damit zehn ihrer bisher 83 Mandate und die Mehrheit im 150-köpfigen Parlament.

"Die Diktatur kommt nach Georgien"

Neben Alasania, der den Nato-Beitritt Georgiens anstrebt, galten Außenministerin Maia Pandschikidse und der Staatsminister für europäische und euroatlantische Integration, Alexi Petriaschwili, als entschiedenste Verfechter des Westkurses. Beide traten am Mittwoch zurück. Pandschikidse begründete ihren Schritt mit den Worten: "Mein Team und ich können die Bedrohungen nicht verbergen, denen sich unser Land jetzt gegenübersieht." Petriaschwili sagte im Fernsehen: "Die Diktatur kommt nach Georgien. Unsere Demokratie ist in Gefahr."

Premier Garibaschwili wies dagegen Befürchtungen über einen außenpolitischen Kurswechsel zurück: Die prowestliche Politik sei "unumkehrbar". Den gefeuerten Verteidigungsminister nannte er einen "Verräter und Abenteurer, dumm und ehrgeizig". Ohne Pandschikidse und Petriaschwili namentlich zu nennen, bedauerte er deren Rücktritte.

Georgien hat ein Assoziierungssabkommen mit der EU geschlossen und auch schon ratifiziert. In jüngster Zeit mehren sich aber Hinweise auf verstärkten Druck seitens Russlands. Zwar hat Moskau seine Drohung, die geltenden Handelsvereinbarungen mit Tiflis aufzukündigen, bisher nicht wahrgemacht. Das russische Konsulat in Tiflis gibt aber, beispielsweise, russische Pässe an Georgier aus, die nachweisen können, dass sie Russisch sprechen.

Antiliberale Strömungen

Laut Umfragen unterstützen rund 80 Prozent der Georgier den Westkurs. Zugleich gibt es aber starke Widerstände gegen liberale europäische Standards, etwa bei der Gleichberechtigung von Homosexuellen. Beobachter halten es durchaus für möglich, dass bei entsprechender Propaganda eine antiwestliche Bewegung mobilisiert werden könnte.

Die Ungewissheit wird auch durch das "Abtauchen" des Milliardärs Bidsina Iwanischwili geschürt. Dieser hatte den "Georgischen Traum" im Oktober 2012 zum Wahlsieg gegen das Lager des damaligen Präsidenten Michail Saakaschwili geführt. Das Amt des Regierungschefs gab er schon ein Jahr später an den damaligen Innenminister Garibaschwili (31) ab. Seither mutmaßen nicht nur politische Gegner, Iwanischwili wolle sich mit Russland arrangieren und regiere aus dem Hintergrund weiter. Vor Letzterem warnte selbst Staatspräsident Giorgi Margwelaschwili, der mit Unterstützung des Oligarchen gewählt worden war.

Iwanischwili hat sein Milliardenvermögen in Russland gemacht. Dass er in der Person Garibaschwilis einen Mann zum Premier machte, der den Sicherheitsapparat gut kennt, war auch nicht geeignet, Skeptiker zu beruhigen. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 7.11.2014)