Bild nicht mehr verfügbar.

Zeitenwende in Schottland: Alex Salmond (links) gab nicht nur die Parteiführung, sondern auch sein Regierungsamt an Nicola Sturgeon ab.

Foto: EPA/ROBERT PERRY

Vor der Halle feierten am Samstag rund 200 Anhänger mit Fahnen den scheidenden Chef. "Danke, Alex!", skandierten sie zu Ehren von Alex Salmond, der nach 20 Jahren die Führung der SNP abgegeben hat. Auch im Konzertsaal von Perth gab es stehende Ovationen für den Nochpremier. Doch die Bühne gehörte vor allem Nicola Sturgeon, die nach dem Parteiamt am Dienstag auch die Regierung in Edinburgh übernehmen wird: "Die Bekämpfung der Armut und der Ungleichheit wird meine persönliche Mission als eure Ministerpräsidentin sein!"

Die Anwältin aus Glasgow hat Salmond zehn Jahre lang treu als Stellvertreterin gedient. Jetzt übernimmt Sturgeon Führungsverantwortung in einem wichtigen Regierungsamt auf den britischen Inseln; und zwar als erste Frau seit Margaret Thatcher, der ebenso legendären wie bei vielen Schotten verhassten Premierministerin von 1979 bis 1990. Die damalige Tory-Hegemonie hatte den Teenager Sturgeon politisiert. Bald gehörte sie zum Häuflein der Nationalisten, war mitverantwortlich für deren Wandlung von einer ländlich geprägten Partei - gern als "Konservative in Karo" verspottet - zu einem Bündnis sozialdemokratisch geprägter Unabhängigkeitsromantiker.

Jahrelanger Höhenflug

Mit dieser Modernisierung hat die SNP 2007 die Edinburgher Regierung übernommen und 2011 sogar die absolute Mehrheit der Mandate gewonnen, was im schottischen Verhältniswahlrecht eigentlich als unmöglich galt.

Die klare Niederlage bei der Volksabstimmung vor zwei Monaten haben die Nationalisten schon zu einer Siegesetappe umgedeutet. "Wir sind im Basislager, der Gipfel ist in Sicht!", rief Sturgeon. "Schottland wird ein unabhängiges Land sein!" Selbst erfahrene Zyniker im Edinburgher Pressecorps räumen unumwunden ein: Die Stimmung im Land hat sich verändert, das Referendum hatte eine erfrischende, dynamisierende Wirkung, das Interesse an Politik ist gestiegen.

Salmonds und Sturgeons Regierungshandeln hatte daran erheblichen Anteil. Es gelang ihnen, den Schotten neues Selbstbewusstsein einzubläuen. Ob Konservative, Liberale oder Labour: Sie sind in der Rhetorik der Nationalistin "Westminster-Parteien".

Das Institut Ipsos Mori sieht die SNP derzeit bei sensationellen 55 Prozent. Sollte sich dieses Ergebnis bewahrheiten, würden die Nationalisten der Labour-Party zahlreiche Mandate abjagen. Statt sechs säßen dann bis zu drei Dutzend SNPler in Westminster.

Sturgeon lässt schon in der Kleiderauswahl keinen Zweifel daran, gegen wen sich ihre Politik richtet: gegen die "Fortschrittsbarriere Labour", eine Partei, die "ihre Seele verloren hat". Im knallroten Jackett spricht sie über "soziale Gerechtigkeit", rühmt die großzügige Gesundheits- und Altenversorgung und den freien Zugang zu Universitäten.

Kein Pakt mit den Tories

Dann stellt sie ganz pragmatisch Bedingungen für eine Duldung der Sozialdemokraten im gar nicht unwahrscheinlichen Fall, dass in London in der nächsten Legislaturperiode unklare Verhältnisse herrschen. Hingegen komme ein Pakt mit den Konservativen nicht infrage. Schottlands neue, stets eisern lächelnde Lady will mit Thatchers Erben nichts zu tun haben. Die Delegierten danken es ihr mit Standing Ovations.