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Taylor Swifts Rückzug von Spotify hat eine Diskussion über werbefinanzierte Musik-Streaming-Services ausgelöst.

Foto: LUCAS JACKSON / REUTERS

Genießen Sie die kostenlose Musik, solange es sie noch gibt. Die Party ist möglicherweise schon bald zu Ende. Die Musikindustrie bereitet sich darauf vor, die Fans der digitalen Angebote mehr zur Kasse zu bitten.

In den vergangenen Jahren haben die Plattenlabels Streaming-Anbietern wie Spotify erlaubt, den Hörern zunächst eine Vielzahl von Gratisangeboten zu machen, immer in der Hoffnung, dass sie sich am Ende für ein vergleichsweise günstiges Monatsabonnement entscheiden würden – und nicht für Tauschbörsen und andere illegale Angebote kostenloser Musik im Netz.

Kostenlos

Nutzer der kostenlosen Smartphone-App von Spotify zum Beispiel können die Musik von jedem Künstler hören, sofern sie eine zufällige Reihenfolge seiner Stücke akzeptieren. Wer über das Tablet oder den Computer nichtzahlendes Spotify-Mitglied ist, kann sogar gezielt Songs abrufen, die allerdings dann von Werbung begleitet sind. Im vergangenen Herbst führte Spotify zusätzlich ein maßgeschneidertes kostenloses Radioangebot für Nutzer mobiler Geräte ein. Insgesamt nutzen 37,5 Millionen Menschen dieses Angebot kostenlos, 12,5 Millionen zahlen eine monatliche Gebühr.

Beats Music von Apple bot unterdessen in diesem Jahr den Kunden bestimmter AT&T-Verträge eine über 90 Tage laufende Testphase an, während Google ein 30-tägiges Probeabo für All Access im Programm hat, das auch ohne Kreditkarte nutzbar ist.

Inzwischen glauben die Plattenfirmen allerdings, dass die Musikfans auf den Geschmack gekommen sind, und gehen nicht mehr so großzügig in ihre nächsten Lizenzverhandlungen mit den Anbietern im Netz. Einige wollen ihr Gewicht in die Waagschale werfen und einen komplett freien Zugang zu ihrer Musik künftig verhindern.

Fehler?

Ein Manager eines führenden Musiklabels sagt, er bereue es inzwischen, den Lizenznehmern jemals erlaubt zu haben, kostenlose Musikangebote mit seinen Inhalten gemacht zu haben. "Im Nachhinein muss man sagen, dass wir einen Fehler gemacht haben", sagte er.

Die großen Plattenfirmen – die zum französischen Vivendi-Konzern gehörende Universal Music Group, Sony Music Entertainment sowie die Warner Music Group – drängen darauf, dass die Anbieter ihre Gratisangebote stark einschränken, dass sie mehr Werbung im Rahmen der freien Musik laufen lassen, dass sie die Kreditkarteninformationen der Nutzer bekommen und dass sie mehr investieren, um die Rate der Kündigungen von Abonnenten zu senken.

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Spotify-Gründer Daniel Ek sieht im werbefinanzierten Modell eine wichtige Grundlage für Abodienste.
Foto: JANERIK HENRIKSSON / REUTERS

Sogar die Google-Tochter Youtube – mit den Millionen von hochgeladenen Musikvideos de facto der größte freie Musikservice im Internet – geht diesen Weg. Am Mittwoch verkündete das Unternehmen Details des lange erwarteten Abo-Musikangebots Music Key, das für monatlich zehn Dollar auf den Markt kommen soll.

Einnahmen

Kostenlose werbeunterstützte Streamingdienste bringen den Plattenfirmen nach Angaben eines Managers aus der Branche pro Durchschnittsnutzer etwa vier Dollar ein. Das ist wenig – verglichen mit 50 bis 75 Prozent, die ein Nutzer sonst in der interessanten Altersgruppe für Tonträger ausgab. Spotify-Abonnenten zahlen derzeit 120 US-Dollar jährlich; davon gehen etwa 70 Prozent an Musikverlage und Plattenlabels. Doch gebührenfreie Dienste wie das individuelle Radio von Pandora Media haben weit mehr Nutzer als Spotify und seine Wettbewerber mit ihren Aboangeboten.

Und so geben sich einige dieser Anbieter in den Verhandlungen mit den Plattenfirmen ziemlich zugeknöpft gegenüber deren Forderungen. Sie fürchten, dass sie bei einer schnellen Umstellung zu viele Nutzer vergraulen könnten, noch bevor sie verstehen, wie ein Abomodell überhaupt funktioniert, sagt ein Insider.

"Unsere kostenlosen Angebote treiben auch die Abonnementsmodelle voran", sagte Spotify-Chef Daniel Ek dieser Tage in einem Unternehmensblog.

Kontroverse

Die aktuellen Spannungen zeigten sich erst kürzlich auch öffentlich, als Popstar Taylor Swift zunächst ihr neues Album "1989" nicht für Spotify zugänglich machen wollte und kurz darauf ihre gesamten Songs von dort zurückzog. Ihr Label hatte zuvor vergeblich versucht, mit Spotify auszuhandeln, dass ihre Stücke nur für Abonnenten zugänglich sein sollten. Doch Spotify bestand darauf, dass sie ihre Musik wie alle anderen Künstler auch beiden Gruppen zugänglich machen müsse, damit auch das Gratisangebot attraktiv bleibt.

Der Versuch der Musikbranche, aus Gratisnutzern zahlende Hörer zu machen, ist die jüngste Entwicklung in einer Reihe von radikalen Umwälzungen, mit denen die Branche seit den späten 1990er-Jahren zu tun hat, als Fans damit begannen, ihre Musik im Internet hochzuladen und anderen online zur Verfügung zu stellen, beschreibt der Chef von Universal Music, Lucian Grainge, die Lage.

Trendumkehr

Bei der Konferenz WSJD Live im Oktober, bei der es um die neuesten Techniktrends ging, erinnerte Grainge daran, dass mit den Musiktauschbörsen ein 14 Jahre dauernder Niedergang des Plattengeschäfts begann, in dessen Rahmen sich der Umsatz halbiert hat.

In den ersten zehn Jahren, so sagte der Manager, habe die Branche sich darauf konzentriert, "Piraterie und Austausch von Musik einzudämmen". Erst in jüngster Zeit hätten die Musikunternehmen ihre Aufmerksamkeit dem Aufbau eigener neuer Plattformen zu widmen begonnen, um wenigstens etwas Geld einzusammeln und den fortschreitenden "Umsatzrückgang zu stoppen".

Das scheine langsam zu fruchten, weil sich die Umsätze mit Musikaufnahmen mittlerweile stabilisiert hätten und das Wachstum der Erlöse aus Streamingdiensten inzwischen den Rückgang der Einnahmen beim Musikdownload auffingen.

Jetzt geht es aus Sicht von Grainge in einer dritten Phase darum, "in beschleunigter Weise Abodienste zu verkaufen und zu experimentieren". Am Ende soll dann ein "hochmargiger, regulärer, wiederkehrender Preis" stehen, der für Musikdienste erhoben wird.

Kein nachhaltiges Geschäftsmodell

Freie, werbefinanzierte Angebote haben viele Musikliebhaber zu Streamingnutzern gemacht. Doch aus Sicht von Musikmanager Grainge bieten "werbebasierte Dienste kein nachhaltiges Geschäftsmodell". Um im Abogeschäft zu wachsen, will Universal Music deshalb mit den Preisen und den Konditionen der Mitgliedschaft spielen und Kunden alles Mögliche an Zusatznutzen bieten, von der Interaktion mit den Künstlern bis zu Zugang zu Liveveranstaltungen.

Viele der Lizenzvereinbarungen, die Universal Music mit seinen Partnern im Streamingbereich unterhält, laufen zum Jahresende aus, wie eine mit der Situation vertraute Person sagte.

Musikmanager Grainge drückte es auf der Veranstaltung des "Wall Street Journal" so aus: "Alles liegt auf dem Tisch. Wir arbeiten daran, so viele Wege wie möglich zu entwickeln, auf denen Menschen ihre Musik kaufen oder für sie bezahlen können." Er sehe "schon sehr, sehr bald" eine Situation, wo die Konsumenten sehr viele verschiedene Preisentscheidungen treffen könnten, um Musik zu genießen.

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Lucian Grainge, Chef der Universal Music Group, bessere Konditionen von Musikstreamingdiensten.
Foto: KEVORK DJANSEZIAN / REUTERS

Einige Musiklabels sehen das Satellitenradio Sirius XM als mögliches Modell. Bei der Technik mag Sirius nicht mehr ganz vorn sein, doch ist das Unternehmen Experte, wenn es darum geht, loyale Kunden an sich zu binden. Viele der fast 30 Millionen Abonnenten zahlen 15 Dollar monatlich für den Dienst, und fast die Hälfte aller Käufer von Autos, in denen er voreingestellt ist, werden zu neuen Hörern. Nur weniger als zwei Prozent kündigen den Dienst jedes Jahr.

Zur Taktik von Sirius XM gehört es, eine Probenutzung nur freizuschalten, wenn Hörer ihre Kreditkartendaten freigeben. Spotify und Beats Music tun das nicht, könnten es aber mit Leichtigkeit tun, indem sie für eine verlängerte Probenutzung zum Beispiel einen Dollar verlangten, sagte der Manager eines Plattenlabels. Sirius bietet ferner Rabatte bei längeren Abolaufzeiten und bietet seinen Kunden private Konzerte und Treffen mit den Stars an, die sie gerne hören.

Eine Herausforderung ist gleichwohl, dass viele Verbraucher die freien werbefinanzierten Streaming-Dienste als Ersatz für das Zehn-Dollar-im-Monat-Musik-nach-Wunsch-Angebot wahrnehmen, obwohl die Produkte in vielerlei Hinsicht sehr verschieden sind.

Realitätscheck

"Die meisten Musikhörer kennen den Unterschied zwischen Spotify und Pandora nicht", sagt ein Musikmanager. Der Internetradiogigant Pandora Media hat allein in den USA fast 80 Millionen aktive Nutzer. Das ist fast das Doppelte dessen, was Spotify weltweit auf die Waage bringt. Das zu Apple gehörende iTunes Radio sowie das unabhängige iHeartRadio bringen es gemeinsam auf rund 100 Millionen Hörer. Einige der Plattenmanager fürchten, dass personalisierte Radiodienste den Musikinteressierten den Blick auf die Vorteile von bezahlten Abodiensten verstellen könnten.

Um alle Schieflagen auszubalancieren, müssten Plattenlabels die Features beider Angebote vereinen und die Menge an Musik begrenzen, die ihre Vertriebspartner ihren Kunden zum Nulltarif überlassen.

"Wenn sie nicht ernsthaft daran arbeiten, ihre Nutzer zur Kasse zu bitten und dafür zu sorgen, dass wir mehr dabei herausbekommen, dann werden wir nicht mehr sehr viel Interesse daran haben, mit ihnen zusammenzuarbeiten", sagte er. (Hannah Karp, WSJ.de/derStandard.at, 17.11.20149)