http://www.grossvaeterland.de/
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Von links: Der Historiker Christian Hardinghaus (Recherche und Text), Projektleiter Markus Freise (Illustrationen) und der Social Media Berater Alex Kahl (Interviews).

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Die Zeitzeugen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, werden bekanntlich immer rarer. Viele haben Schwierigkeiten, über traumatische Erfahrungen – sei es nun als Opfer, als TäterInnen oder als MitläuferInnen – zu sprechen. Großeltern, die darüber berichten könnten, haben viele. Und dennoch bleibt die Nazivergangenheit von Oma und Opa meistens ein blinder Fleck in der Familiengeschichte. Weil einfach so gut wie niemand sich die Mühe macht, genauer nachzufragen und längst verdrängte Wunden wieder aufzureißen.

Drei Deutsche wollen das nun ändern: Der Designer und Illustrator Markus Freise und der Social-Media-Berater Alex Kahl aus Bielefeld sowie der Osnabrücker Historiker und Autor Christian Hardinghaus haben kürzlich ein Crowdfunding-Projekt gestartet, in dem die Geschichten der Großeltern in Form einer Graphic Novel an die Oberfläche geholt werden sollen. In "Großväterland" wollen sie Interviews mit noch lebenden Zeitzeugen verarbeiten. Warum die Großmütter zumindest im Titel außen vor gelassen werden, ist unklar – schließlich sollen die Porträts nicht nur Erlebnisse an der Front und in Kriegsgefangenschaft, sondern auch in zerbombten Städten illustrieren.

Holocaust im Comic

Die ersten Beispiele, die auf der Website zu sehen sind, gezeichnet in klassisch-realistischem, actionreichem Stil, wirken jedenfalls vielversprechend. Zwischen den Panels werden immer wieder Begriffe wie "Hitlerjugend" oder "Unternehmen Barbarossa" erklärt. Vor allem jüngere Generationen, die ihre Großeltern nicht mehr selbst befragen konnten, sollen "berührt und aufgeklärt werden, historisch fundiert recherchiert, ohne Beschönigung und ohne erhobenen Zeigefinger", heißt es in einer Aussendung des Projektteams. "Wir sind davon überzeugt, mit dem Comic das richtige Medium gefunden zu haben, um innovativ eine breite Leserschaft zu erreichen. Das Buch wird eine deutsche und eine englische Version enthalten und insgesamt über 100 bebilderte Seiten umfassen", sagt der Comiczeichner Markus Freise, der bereits mit seinem Projekt One - in dem er One-Page-Comics in Posterform produziert – Crowdfunding-Erfahrung gemacht hat.

Als Beispiele für erfolgreiche Comics, die komplexe Themen wie den Holocaust greifbar und verständlich machen, nennen die Organisatoren Art Spiegelman's Klassiker "Maus", "Die Mauer" von Maximialan Le Roy über den Israel-Palästina-Konflikt, "Elender Krieg" von Tardi über den Ersten Weltkrieg und Joe Kuberts "Yossel", die Geschichte eines jungen Juden im Nazi-Deutschland.

Bildungsauftrag

"Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und gehen hochsensibel mit dem Thema um. Ein Teil des Erlöses werden wir Organisationen, die sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einsetzen, spenden", sagt Hardinghaus, der als Historiker mit Spezialisierung auf das "Dritte Reich" Fakten prüft, den historischen Kontext beleuchtet und zusammen mit Kahl für Interviews und Texte zuständig ist. "Es geht nicht nur um Unterhaltung, Großväterland hat auch einen Bildungsauftrag und wird um kurze Sachtexte ergänzt. Ein Einsatz in der Schule ist sehr gut vorstellbar und zeitgemäß."

Auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo wird nun Geld gesammelt. Am Freitag hielt die Kampagne bei eher mageren 4.735 Dollar – angepeilt sind 18.000 Dollar bzw. 14.000 Euro bis 28. Dezember 2014. Die Unterstützer können für einen bestimmten Betrag auch digitale oder gedruckte Ausgaben des Buches, Poster oder Original-Zeichnungen aus dem Comic im Vorfeld erwerben. Außerdem haben sie die Möglichkeit, sich selbst als Figur in die Stories miteinzubringen. Darüber hinaus werden noch weitere Zeitzeugen gesucht.

2015 – anlässlich des 70. Jubiläums des Ende des Zweiten Weltkriegs – soll die Graphic Novel erhältlich sein. Bei Nichtzustandekommen der Finanzierung bekommen alle Unterstützer ihr Geld zurück.

Es wird sich noch weisen, wie viel Qualität tatsächlich hinter dem Projekt steht – sofern es zustande kommt. Ein großartiges Beispiel, wie eine Comic-Künstlerin, nämlich Barbara Yelin in "Irmina", mit der Nazi-Vergangenheit ihrer Großmutter umgeht, gibt es in der nächsten Pictotop-Rezension kommenden Mittwoch zu lesen. (Karin Krichmayr, derstandard.at, 28.11.2014)